Die Gemeinde Cinquera in El Salvador verfügt über wertvolle Erfahrungen und Kenntnisse beim Schutz natürlicher Ressourcen, die von den Dorfbewohnern selbst verwaltet werden. Der gemeindebasierte Tourismus ist Teil einer Gemeinschaftsinitiative, die der lokalen Bevölkerung den Zugang zum Wald ermöglicht hat. Auch wurden dadurch Voraussetzungen geschaffen, um den Wald besser kennenzulernen.
In den 1970er Jahren litt Cinquera unter starker Entwaldung. Die Bauern fällten Bäume und brachten Saatgut aus. So erweiterten sie die Anbauflächen. „Der Wald war quasi verschwunden“, erklärt Pedro Fuentes, alias René, wie er während des Krieges genannt wurde. Er ist einer der Mitverantwortlichen der Gesellschaft für Wiederaufbau und Entwicklung (Asociación para la Reconstrucción y el Desarrollo – ARDM) in Cinquera. Der Bürgerkrieg, der während der achtziger Jahre El Salvador erschütterte, hatte jedoch dazu geführt, dass viele Landbesitzer und Kleinbauern ihre Äcker aufgeben mussten. Cinquera wurde mehrfach von den Militärs überfallen, die verhindern wollten, dass die Bevölkerung die Guerilla der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) unterstützte. Es gab jede Menge Verhaftungen, Ermordungen und Massaker. Viele Menschen mussten flüchten.
Nachdem die Landwirtschaft zum Erliegen kam, konnte sich der Wald in der Umgebung des Dorfes nach und nach erholen. Während der Jahre des Bürgerkriegs wurde er zu einem lebenswichtigen Ort für die Menschen aus der Umgebung. Hier versteckten sie sich auf der Flucht vor den Militärs. Der Wald war auch Zuflucht für die Guerilleros, die mehrheitlich Bauern waren. Dank der üppigen Dichte des Waldes konnten die Militärs sie nicht finden und die Flugzeuge flogen über ihre Köpfe hinweg, ohne sie aufzuspüren. Und hier mussten sie viele ihrer Kameraden begraben. So entstand eine besondere Beziehung der Menschen zu dem Wald, dem viele ihr Leben verdankten. Deswegen erinnert sich René, wie sie, während sie sich im Wald versteckt hielten, beschlossen: „Wenn eines Tages der Krieg zu Ende ist, werden wir diesen Wald schützen“.
Im Ministerium glaubte man nicht, dass es da einen Wald gibt
Nach Ende des Krieges 1992 beschloss die Gemeinde gemeinsam mit einigen Ex-Guerilleros, die aufgrund des im Friedensabkommen enthaltenen Landüberschreibungsprogramms Ackerland erhalten hatten, die Gründung der Gesellschaft für Wiederaufbau und Entwicklung. Das Ziel dieses Vereins war die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bewohner des Dorfes, das vor dem Krieg zusammen mit den Gemeinden Jutiapa und Tejeupeque Teil des sogenannten „Armutsdreiecks“ war.
Eine ihrer ersten Maßnahmen bestand darin, zusätzlich zur Förderung produktiver Aktivitäten mit dem Ziel der nachhaltigen Nutzung der Ökosysteme 1.300 Hektar Sekundärwald zu pflegen und zu erhalten. Das Gebiet ist im Besitz verschiedener Eigentümer, des Bürgermeisteramtes und des Vereins. Anfänglich war es nicht einfach gewesen, es von der öffentlichen Verwaltung als Schutzgebiet anerkannt zu bekommen. René erzählt, dass ihnen bei den Verhandlungen im Umweltministerium in San Salvador niemand glaubte. Es wurde behauptet, dass es dort nie einen Wald gegeben habe.
Tourismus als eine Option
Einige Zeit später gründete die ARDM den Ökotourismuspark des Waldes von Cinquera (Parque Ecoturístico del Bosque de Cinquera). In dem Park legten die Dorfbewohner mehrere Wege und die notwendige Infrastruktur an, um den Besuchern die Natur und die jüngere Geschichte des Gebietes nahezubringen. Es gibt dort auch natürliche Lagunen mit Bademöglichkeiten und Feuerstellen, an denen die Gäste kochen können. Es gibt einen Managementplan zur Regulierung des Gebietes. Parkwächter und Parkführer schützen den Wald und betreuen die Besucher.
Der Wald wird immer häufiger besucht. 2013 kamen 13.000 Besucher, mehrheitlich Leute aus der Gemeinde und der Umgebung, aber auch Gäste aus San Salvador, von wo aus die Anreise im Auto etwa eine Stunde dauert. “Sie kommen hier her und können kochen und fröhlich den Tag verbringen“, versichert René. Auch für Schulen ist der Park ein geeigneter Ort für diverse pädagogische Aktivitäten.
Obwohl der Eintrittspreis für die breite Bevölkerung erschwinglich ist, können dank dieser Einnahmen Instandhaltungsarbeiten in der Infrastruktur und ein Teil der Kosten des Personals gedeckt werden, das sich dem Schutz des Waldes widmet und die Besucher informiert.
Ein erschwinglicher Tourismus für die eigene Bevölkerung
Wie der Fall von Cinquera zeigt, kann der gemeindebasierte Tourismus eine Option für die eigene Mittelklasse und ärmere Bevölkerungsschichten darstellen. Gegenüber anderen touristischen Alternativen, die durch Privatisierung den Zugang für die meisten Menschen verhindern, gibt es weitaus demokratischere und nachhaltigere Tourismusformen.
Das Umweltministerium von El Salvador hat Cinquera kürzlich in sein nationales Programm zum Erhalt der Ökosysteme und Landschaften aufgenommen – eine Anerkennung der Bemühungen der Gemeinden, ihre Lebensgrundlage zu schützen und sie mit vielen anderen Menschen zu teilen.
Ernest Cañada ist Koordinator der katalanischen Organisation "Alba Sud - Investigation and Communication for Development" und Mitglied der "Group to Research Sustainability and Territory (GIST)" an der Universität der Balearen.
Übersetzung aus dem Spanischen: Sabine Reichert-Rubio
(5.041 Zeichen, September 2014, TW 76)