Der entwicklungspolitische Freiwilligendienst "weltwärts" des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ermöglicht jungen Menschen, sich für sechs bis 24 Monate ehrenamtlich in Entwicklungsländern zu engagieren. Rund 200 Organisationen in Deutschland sind als Entsendeorganisationen anerkannt. Sie vermitteln die Freiwilligen an ihre Partnerorganisationen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Im ersten "weltwärts"-Jahr 2008 sind nach Angaben des BMZ 2.257 Freiwillige ausgereist; mehr als die Hälfte von ihnen Frauen. Zu den Erfahrungen mit dem noch jungen Programm befragten wir Hildegard Peters (Kindernothilfe), die bei VENRO, dem Dachverband der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen in Deutschland, für das "weltwärts"-Programm zuständig ist.
TW: Hat "weltwärts" seine Bewährungsprobe bereits bestanden?
Hildegard Peters: Es ist noch zu früh, um diese Frage mit ja oder nein beantworten zu können. Das "weltwärts"-Programm befindet sich in der Mitte seiner dreijährigen Pilotphase und wird begleitend evaluiert, so dass Ende 2010 belastbare Aussagen zu seiner Wirksamkeit vorliegen dürften. Schon jetzt kann man aber sagen, dass das Programm bei jungen Leuten auf großes Interesse stößt, was zunächst einmal sehr erfreulich ist. Allerdings werden bildungsferne Schichten mit dem Programm bisher in viel zu geringem Umfang erreicht. Laut "weltwärts"-Richtlinie soll der Freiwilligendienst einem "möglichst breiten Kreis junger Erwachsener offen stehen". Bisher sind aber nur rund zehn Prozent der Teilnehmer Haupt- oder Realschüler mit abgeschlossener Berufsausbildung. Hier muss also dringend nachgebessert werden. Um mehr junge Leute aus dem nicht-akademischen Bereich anzusprechen, müssen spezielle Förderprogramme aufgelegt und solche Nichtregierungsorganisationen (NRO) besonders unterstützt werden, die sich an diese "neuen" Zielgruppen richten.
Große Erwartungen setzen sowohl die Nichtregierungsorganisationen als auch das BMZ in die "Rückkehrerarbeit", d.h. das entwicklungspolitische Engagement der Freiwilligen nach ihrer Rückkehr nach Deutschland. Der neue Freiwilligendienst soll einen "effizienten Beitrag zur entwicklungspolitischen Informations- und Bildungsarbeit im Sinne des Globalen Lernens" leisten. Mittlerweile wurde ein Konzept für die Rückkehrerarbeit entwickelt. Das BMZ stellt einen Etat für Begleitmaßnahmen zur Verfügung (Qualifizierung, Öffentlichkeitsarbeit, Entwicklung von Projekten des globalen Lernens). Auch wenn das "weltwärts"-Programm eine Selbstverpflichtung der Freiwilligen zum entwicklungspolitischen Engagement in Deutschland beinhaltet, wird es großer gemeinsamer Anstrengungen bedürfen, um die Rückkehrer in Aktivitäten der entwicklungspolitischen Bildung und des globalen Lernens angemessen einbinden zu können.
TW: Hilft "weltwärts" auch den Partnern im Süden? Wie sehen die Rückmeldungen der Partnerorganisationen aus, bei denen die Freiwilligen tätig sind?
Hildegard Peters: Da "weltwärts" in erster Linie ein Lerndienst ist, steht für die Partner im Süden die Begleitung der Freiwilligen im Vordergrund. Die jungen Leute benötigen eine qualifizierte Anleitung, um sich in einem fremden Umfeld zurechtzufinden, um den Kulturschock zu verarbeiten und um sich nutzbringend betätigen zu können. Dies ist für die Partnerorganisationen mit viel Aufwand verbunden. Andererseits ist zu erwarten, dass die Südpartner aus dem Aufenthalt der Freiwilligen durchaus auch Nutzen ziehen. Viele Freiwillige sind in pädagogischen Arbeitsfeldern tätig. Dort kann ihre Mitarbeit nützlich sein.
Es besteht allerdings eine Spannung zwischen dem Bedarf der Organisationen vor Ort an qualifizierten Fachkräften und den zumeist unqualifizierten Freiwilligen. Viele Partner berichten aber von einem positiven Effekt auf die Entwicklung von Zivilgesellschaft und auf die gesellschaftliche Anerkennung sozial benachteiligter Gruppen. Das Engagement der Freiwilligen, z.B. für Aidskranke oder Behinderte, zeigt deutlich, dass diese Menschen in Gesellschaften, in denen sie oft keinen Platz finden, nicht vergessen werden dürfen.
Längerfristig wird "weltwärts" der Arbeit der Partnerorganisationen hoffentlich auch durch das entwicklungspolitische Engagement der vielen Rückkehrer in Deutschland helfen. Diese können von ihren Erfahrungen berichten, das Bewusstsein für die globalen Zusammenhänge wächst, die Ursachen für Armut in vielfältigen Bezügen werden thematisiert und die Unterstützung der Eine-Welt-Arbeit steigt. Eine umfassendere Bewertung des Nutzens von "weltwärts" für die Südpartner muss Bestandteil der laufenden Evaluierung sein.
TW: Entwicklungspolitisches Lernen ist keine Einbahnstraße. Wie steht es um eine "weltwärts"-Förderung der Einsätze junger Freiwilliger aus dem Süden hier in Deutschland?
Hildegard Peters: VENRO hat von Anfang an gefordert, dass eine solche Reverse-Komponente in das "weltwärts"-Programm aufgenommen wird. Dies stieß bei Ministerin Wieczorek-Zeul zwar auf Zustimmung, allerdings wurde bislang noch keine Entscheidung dazu getroffen. Zunächst soll die Pilotphase abgeschlossen werden, bevor "weltwärts" um diese Komponente erweitert wird.
In einer Stellungnahme der VENRO-Arbeitsgruppe Bildung wird auf die Potenziale junger Erwachsener aus den Ländern des Südens für das Globale Lernen in Deutschland hingewiesen: "Rückkehrerarbeit darf nicht als 'Einbahnstrasse' gedacht werden. Träger entwicklungspolitischer Bildungsarbeit müssen aufgefordert und unterstützt werden, das Potenzial junger Engagierter aus Entwicklungsländern zu nutzen." Die Förderung junger Erwachsener aus Entwicklungsländern würde ein öffentlichkeitswirksames Zeichen setzen, eine glaubwürdige und partnerschaftliche Rückkehrerarbeit und damit eine qualitative Weiterentwicklung des Globalen Lernens ermöglichen. VENRO wird sich dafür einsetzen, dass bereits jetzt an einem Konzept für die Reverse-Komponente gearbeitet wird, damit "weltwärts" keine Einbahnstraße bleibt.
Weitere Informationen: www.weltwaerts.de
(6.058 Anschläge, 82 Zeilen, Juni 2009)