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Landnutzungskonflikte an der Küste

Zwei Beispiele aus Südindien


Mararikulam North im Alappuzha Distrikt an der Küste des südindischen Bundesstaates Kerala ist bekannt für seine fischreiche, flache Küste mit langem Sandstrand. Während die Regierung im Rahmen ihrer "Responsible Tourism"-Konferenz 2008 (vgl. TW 50, 51) Mararikulam als positives Beispiel darstellen wollte (“Wie ein einheimischer Unternehmer eine Destination erschlossen hat"), handelt es sich bei eingehenderer Analyse um einen typischen Fall von Verdrängung der ortsansässigen Bevölkerung durch den Tourismus.

Die Einheimischen werden nach und nach, über einen längeren Zeitrum und durch zielgerichtete, clevere Verhandlungen aus ihrem Zuhause und von dem Land vertrieben, das ihre Lebensgrundlage darstellt. "Big player" sind auf der Bildfläche erschienen, um einen langen Strandabschnitt zu "entwickeln". Sie tun dies, indem sie zunächst dem Besitzer des jeweiligen Grundstücks – einem Fischer oder Küstenbewohner – ein Angebot unterbreiten. Dieses Angebot besteht aus einer großen Summe Geld für Haus und Grundstück. Die gleiche Strategie wird bei allen Hütten und Häusern der Gemeinschaft angewendet. In monatelangen stetigen Verhandlungen überreden Mittelsmänner die Eigentümer zum Verkauf, indem sie ihnen klar machen, dass ein Umzug in ihrem eigenen Interesse sei. Wenn nicht ein weiterer Tsunami komme, dann irgendeine andere Katastrophe – warum sollte man das riskieren? Einige der Einwohner, die das Angebot ausschlugen, wurden durch eine hohe Anzahlung schließlich doch geködert – und durch eine sechsmonatige Bedenkzeit. Nach sechs Monaten jedoch wird Druck gemacht und die Fischer geben schließlich klein bei. Sie ziehen in eine andere Gegend, wo die Grundstückspreise inzwischen aber auch gestiegen sind. Der Deal ist in keiner Weise zu ihrem Vorteil. Und inzwischen haben die Investoren, die die Grundstücke gekauft haben, das Land zu einer großen Enklave zusammengefasst. So wird die Gegend für den Tourismus "erschlossen".

"Kann ich mit Geld mein Leben zurückkaufen?"

”Wie kann sich ein armer Fischer wie ich, der wenig Erfahrung mit der Welt da draußen und wenig Verhandlungsgeschick hat, den überzeugenden Taktiken von 38 Leuten für dreieinhalb Stunden widersetzen? Sie haben mir Angst gemacht, dass noch einmal ein Tsunami kommen könnte. Dass es nicht genug Fisch geben würde, dass die Zukunft schwierig und das Leben woanders besser sei. Sie haben viele weitere Gründe genannt, warum ich mein Grundstück verkaufen sollte. Sie haben sogar vom Klimawandel gesprochen und was der für Auswirkungen auf die Küste haben würde. Sie haben mich dazu gebracht, dem Grundstücksverkauf zuzustimmen und mir sofort eine Anzahlung gegeben”, erzählt ein Fischer aus Mararikulam.

Lal Koyilparambil, Präsident der Fischerei-Gewerkschaft "Kerala Swathanthra Matsya Thozhilali Federation" bestätigt: "Die Privatisierung von öffentlichem Grund und Boden begann bereits durch den Unternehmer, der Marari schon vor ein paar Jahren beworben hat. Seine Anlage hat den öffentlichen Strandbereich vor dem Hotel vereinnahmt, den die Fischer seit Generationen für ihren Lebensunterhalt nutzen. Die Dorfgemeinschaft demonstrierte und die Regierung schickte daraufhin eine "Task Force", um den öffentlichen Grund und Boden zurückzufordern. Zwar wurde das Land einige Zeit danach nicht mehr durch das Resort genutzt, doch nun haben sie langsam wieder damit begonnen. Die Hotelanlage ist zum Strand hin nicht durch einen Zaun o.ä. abgegrenzt, so dass das Meer quasi die Grundstücksgrenze darstellt. Die Landnahme durch die Tourismus-Lobby geht weiter und wird dazu führen, dass öffentliche Strände weiter privatisiert werden”.

Diese Stimmen decken eine Wahrheit auf, die die Behörden und die Tourismusunternehmer sich weigern zu sehen: die Tatsache, dass eine Entwicklung, in der die Interessen der Bevölkerung nicht ernst genommen werden, weder verantwortlich noch langfristig nachhaltig ist. Traditionell nutzen die Menschen aus den Fischerdörfern den öffentlichen Strand zum Parken ihrer Fischerboote. Sie schlafen am Strand, halten Treffen ab, bereiten ihre Arbeit vor, lagern ihre Ausrüstung, trocknen Fisch. Wenn an diesem Strand immer mehr Hotelkomplexe entstehen, wird die Konkurrenz zwischen den Fischern und den Tourismusunternehmern zunehmen und es wird zu enormen Konflikten kommen.

"Unser Land ist unser Land"

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Kovalam* im Kanyakumari Distrikt an der Südspitze des indischen Bundesstaates Tamil Nadu. Es macht deutlich, wie gute Maßnahmen, die zum richtigen Zeitpunkt kommen, Dorfgemeinschaften helfen können, mit den Folgen von Katastrophen fertig zu werden. Die Lokalverwaltung hat erkannt, dass der Grund und Boden die wichtigste Ressource des Fischerdorfes ist. Deshalb kaufte sie Land, um es für zukünftige Zwecke zu "reservieren". Der Tsunami 2004 hatte zu diesem Umdenken beigetragen.

Nach dem Tsunami wurde klar, dass das Dorf Land brauchen würden, um die Menschen unterzubringen, die ihr Zuhause verloren hatte. Die Wellen hatten ihre Lebensgrundlage zerstört. Das Land, das geeignet war, gehörte der Elite in dieser Gegend, die es einst billig gekauft und dann unbewirtschaftet gelassen hatte. Es war mit Dornenbüschen bewachsen und damals nicht sehr begehrt gewesen. Durch den Tsunami wurde es wertvoll und die Lokalverwaltung kaufte es 2005 für den zehnfachen Preis. 2007 war der Preis dann auf das 25fache gestiegen. Die Nachfrage kam hauptsächlich aus dem Tourismus. Kovalam befindet sich unweit des touristisch überlaufenen Kanyakumari, das sowohl in- als auch ausländische Besucher anzieht. Neue Lodges und Resorts entstanden, und die Preise stiegen in schwindelerregende Höhen. 2007 entschied die Lokalverwaltung von Kovalam, erneut Land zu kaufen und zu sichern, um dem Preisanstieg Einhalt zu gebieten und Einfluss auf die Landnutzung nehmen zu können. Der damalige Pfarrer von Kovalam, Father Joseph Justus, erzählt: ‘Wir identifizierten den Tourismus und die Industrie als Bedrohungen für ein kleines Dorf wie Kovalam. Deshalb entschieden wir in der Gemeindeversammlung ("gram sabha") am 26. Januar 2007, dass diese Gemeinde ihr Land nicht an Leute von außerhalb verkaufen wird”.

Durch strenge Richtlinien gelang es dem Gemeinderat, Missbrauch zu verhindern. Wenn jemand drei Jahre lang in Kovalam gelebt hat, hat er ein Anrecht auf eine "Familienkarte" und darf Land innerhalb der Gemeinde kaufen.

Kovalam ist eine Modellgemeinde, deren Leitbild sich von anderen Fischerdörfern an der südindischen Küste deutlich unterscheidet. Der Dorfrat und ein Kinderparlament engagieren sich sehr für die Entwicklung ihres Dorfes. Angesichts des Drucks und der Bedrohungen, denen die Küstengemeinden nach dem Tsunami und aufgrund neuer politischer Entwicklung wie der Aushöhlung des Küstenschutzes ausgesetzt sind, war die Entscheidung der Gemeindeversammlung ein begrüßenswerter Schritt. Sie sind ein Beispiel für eine Gemeindevertretung mit einer durch die Interessen der Gemeinde und durch eine gesunde Ethik geleiteten Zukunftsperspektive.

Prema Nair ist Beraterin zu Gender-Fragen in Kerala, Südindien, und Mitglied von KABANI – the other direction, einer Initiative, die sich mit Tourismusthemen in Indien auseinandersetzt.

* An der Küste Südindiens gibt es mehrere Orte mit dem Namen Kovalam. Hier ist nicht der beliebte Ferienort "Kovalam Beach" in Kerala (unweit der Hauptstadt Thiruvananthapuram) gemeint, sondern ein Fischerdorf im Kanyakumari-Distrikt an der Südspitze von Tamil Nadu.

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(7.074 Anschläge, 94 Zeilen, März 2009)