Seit dem ersten Weltkongress gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern 1996 in Stockholm ist es ein wichtiges Anliegen, Kinder und Jugendliche selbst an der Suche nach Strategien zum Schutz von Minderjährigen zu beteiligen. Aus Sicht von Kinderschutzorganisationen erhöht sich dadurch die Rechenschaftspflicht der Erwachsenen gegenüber den Kindern und Jugendlichen, die es zu schützen gilt.
Zu ihrem Engagement auf dem dritten Weltkongress Ende November 2008 in Brasilien befragten wir Simona Blumkowski von der Aktion Weißes Friedensband, die als westeuropäische Vertreterin des "Child and Youth Advisory Committee" (EICYAC) der Kinderrechtsorganisation ECPAT International in Rio de Janeiro war. Die 20-jährige ist Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung e.V. (ECPAT Deutschland).
TW: Warum war die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen am dritten Weltkongress so wichtig?
Simona Blumkowski: Wir Kinder und Jugendliche, die im ECPAT Jugendnetzwerk EICYAC organisiert sind, wollten verhindern, dass wieder einmal über unsere Köpfe hinweg Initiativen und Maßnahmen zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern entschieden werden. Es geht um uns und um unsere Zukunft, deshalb hielten wir es für wichtig, unsere Standpunkte und Vorstellungen auf dem Weltkongress zu formulieren. Wir wollten, dass der Kongress uns ernsthaft zuhört. 300 Kinder und Jugendliche aus allen Teilen der Erde konnten am dritten Weltkongress gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern teilnehmen. Im Vergleich zum letzten Weltkongress 2001 in Yokohama, bei dem nur knapp 100 Kinder und Jugendliche teilnehmen konnten, ist das ein großer Erfolg.
Zudem darf man den Fokus keinesfalls nur auf die drei Kongresstage legen, denn die eigentliche Jugendarbeit fand bereits viele Monate vor dem Kongress statt.
In vielen Ländern gab es Vorbereitungsforen, in denen Kinder und Jugendliche verschiedenen Alters zusammenkamen, um über die Problematik der sexuellen Ausbeutung von Kindern in ihren Ländern zu reden. Dort wurde auch über bereits erfolgreiche Jugendprojekte und Aktionen zu diesem Thema berichtet und die Teilnahme in Brasilien in Form von Forderungskatalogen gemeinsam vorbereitet. Während dieser Treffen wurden zu den Hauptthemen des Weltkongresses Forderungen formuliert und zu einem Empfehlungsentwurf zusammengefasst.
TW: Welchen Einfluss hatten eure Beiträge auf die Ergebnisse des Kongresses?
Simona Blumkowski: Während des Weltkongresses gab es verschiedene Podiumsdiskussionen und Workshops, zum Beispiel zu den verschiedenen Strategien für internationale und regionale Kooperation. In diesem Jahr saß in jeder dieser Veranstaltungen mindestens ein Jugendlicher gleichberechtigt mit auf dem Podium und gestaltete auch Teile der Workshops. In jedem Workshop gab es für alle Teilnehmer zusätzlich die Möglichkeit, Forderungen zu formulieren, die Einfluss auf das offizielle Abschlussdokument hatten.
Anke Gratz, Jugendteilnehmerin von ECPAT Deutschland und Mitglied der deutschen Delegation, arbeitete am Entwurf des offiziellen Abschlussdokuments in Brasilien mit. Sie hatte so die Möglichkeit, alle im Vorfeld formulierten Forderungen der weltweiten Kinder- und Jugendforen einzubringen.
Unter anderem schlagen wir vor, die Jugendlichen und Kinder zu stärken. Dies soll über die Schulen aber auch die Jugendeinrichtungen geschehen. Dafür fordern wir die entsprechenden Ressourcen und Gelder. Das Thema Gefahr sexueller Ausbeutung gehört für uns in den alltäglichen Schulunterricht. Kinder und Jugendliche, die Opfer von Ausbeutung werden, müssen vertrauenswürdige Anlaufstellen haben, die auf ihre Bedürfnisse eingehen und sie nicht kriminalisieren (wie es in einigen Ländern geschieht). Leider wurde das Abschlussdokument des Kongresses in Brasilien noch nicht fertig gestellt und so warten wir alle gespannt auf die Ergebnisse.
TW: Auf welche Art und Weise sind Jugendliche auch an der alltäglichen Arbeit zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung beteiligt?
Simona Blumkowski: Während meiner Zeit in Brasilien hatte ich die Möglichkeit, viele unglaublich engagierte Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 25 Jahren kennen zu lernen. Viele von ihnen gehören Jugendgruppen in ihren Ländern an, die sich mit der Problematik der sexuellen Ausbeutung von Kindern beschäftigen. Besonders großen Wert legen alle dabei auf Bildungsmaßnahmen unter Gleichaltrigen ("peer-to-peer education") in Schulen und anderen Jugendstätten, um sexuelle Ausbeutung von Kindern zu verhindern.
Die Mitglieder des Jugendkomitees (EICYAC) von ECPAT International brachten zum Weltkongress in Brasilien eine Broschüre heraus, in der mehr als zehn besonders gelungene Aktionen von Jugendgruppen für Kinder und Jugendliche ausführlich beschrieben werden.
Unter dem Titel "Grenzen einhalten – Kinder sind keine Ware" fand zum Tag gegen Kinderprostitution am 19. November 2008 in Düsseldorf zum zweiten Mal eine große Demonstration statt. In rote Roben gehüllt formten rund 50 jugendliche Teilnehmer am Flughafen ein großes Stoppschild und verteilten selbst gestaltete Flyer, die einen Rap-Song gegen Kinderprostitution enthielten. Mit Informationsmaterial von ECPAT informierten sie die Reisenden über verschiedene Handlungsmöglichkeiten im Falle einer verdächtigen Beobachtung. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Aktion Weißes Friedensband e.V. in Zusammenarbeit mit ECPAT Deutschland und der Kindernothilfe. Kinder und Jugendliche entwickelten die Aktion "Grenzen einhalten" im Jahr 2007. Diese Aktion spricht sich gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern aus und ruft die Erwachsenen dazu auf, die Grenzen von Kindern und Jugendlichen zu akzeptieren, einzuhalten und keinesfalls zu überschreiten.
Weitere Informationen und Bilder sowie den Flyer zur Aktion "Grenzen einhalten" und der Demo am Düsseldorfer Flughafen finden Sie unter www.friedensband.de, die Broschüre sowie Empfehlungsentwürfe der Vorbereitungsforen unter www.eicyac.org.
(5.842 Anschläge, 78 Zeilen, Dezember 2008)