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Die neuen Reiseweltmeister

Chinesische Touristen in Europa


Erst Exportweltmeister und jetzt auch noch Reiseweltmeister: Mit 70,25 Millionen Auslandsreisenden haben die Chinesen den Deutschen 2012 den Rang abgelaufen. Laut der Welttourismusorganisation (UNWTO) gaben sie mit 102 Milliarden US-Dollar im Jahr 2012 das meiste Geld für internationale Reisen aus. Die Zahl der Chinesen, die sich eine Auslandsreise leisten können, wächst und viele decken sich auf ihrer Reise mit Luxusgütern ein. Unter chinesischen "Netizens" sind Europareisen ein beliebtes Gesprächsthema.

Vor allem für die europäische Tourismusindustrie sind die steigenden Zahlen chinesischer Reisender ein Gewinn. Dieser Tatsache ist sich zum Beispiel Bloggerin "Eva" bewusst: "Durch die erneute Aufwertung des chinesischen Renminbi wird Europa immer mehr zum Hotspot für Reisende. Die wachsende Zahl chinesischer Reisender wird zwangsläufig Anreize für lokale Hotels, für den Verkehr sowie die Geschäfte bieten. Das alles wird die Entwicklung der europäischen Tourismusindustrie vorantreiben." Doch stellt sich die europäische Tourismusindustrie auf dieses lukrative Geschäft ein? Fühlen sich die chinesischen Reisenden willkommen?

Urlaub in Europa – mangelhaft?

Mehrere chinesische Blogger bemängeln die Verkehrssituation und die Sauberkeit in europäischen Großstädten. Darüber hinaus fehlt es vielen Touristen an einer für sie grundlegenden Ausstattung in den Hotels. So Bloggerin "xiamenmka": "Wenn man darauf zu sprechen kommt, was uns im Vergleich (zu China) fehlt, finde ich zunächst, dass die Übernachtung im Hotel nicht sehr angenehm ist. Die europäischen Hotels sind größtenteils sehr klein. Außerdem gibt es in den Hotelzimmern keine Wasserkocher. Das ist für Chinesen, die gerne Tee trinken, wirklich schlecht. Dazu kommt, dass Kunden, egal ob in Geschäften in Paris oder einer anderen Stadt, mit ihren Haustieren einfach so herein und heraus spazieren können. Das ist in den großen Geschäften in China nicht erlaubt. Auch ist es in China nicht erlaubt, mit Motorrädern auf der Autobahn zu fahren, aber hier (in Europa) fahren die Motorräder auf der Autobahn neben den Autos. Natürlich ist das rechtlich gestattet, aber ich fühle mich dadurch nicht sicher."

Chinesische Urlauber als Repräsentanten der eigenen Kultur

Netizen "Ganzi" spricht in seinem Blog über einige Eigenheiten der Chinesen und wie sie in einer internationalen Umgebung aufgefasst werden können: "Wir müssen zugeben, dass einige in unserem Volk tatsächlich unzivilisierte Angewohnheiten haben. Zum Beispiel wird es immer einige Chinesen in Europa geben, die versuchen, zu einer hochkünstlerischen Statue hinaufzuklettern, um mit ihr zusammen ein Foto zu machen. Dann gibt es z.B. in einigen noblen Restaurants große Gruppen von Chinesen, die sich lauthals gegenseitig zuprosten und die teure Flasche Wein in einem Zug leeren. Da können viele im Kerzenlicht sitzende Europäer, die es gewöhnt sind, ihren Wein in kleinen Schlucken zu trinken, nur mit dem Kopf schütteln."

Blogger "Cheng Longqiang 2012“ äußert sich nachdenklich, denn trotz ihres hohen finanziellen Status werde reisenden Chinesen kein Respekt zuteil: "Französische Design-Hotels heißen Chinesen nicht willkommen. Obwohl es jedes Jahr fast eine Million chinesische Touristen gibt, obwohl chinesische Touristen in Paris die Shopping-Könige sind, werden sie nicht respektiert. In den Augen der Franzosen, ja der Europäer, sind sie einfach wie 'Neureiche, die dicke Goldketten tragen' – wohlhabend, aber ohne Geschmack." Und er fragt: "Müssen wir uns einer Selbstreflektion und Selbstkritik unterziehen?" (3.548 Zeichen, Juni 2013)

Rebekka Cordes studiert Chinastudien (M.A.) an der Universität zu Köln. Sie gehört zum Team von "Stimmen aus China", einem Gruppenblog der Asienstiftung, in dem junge Journalisten und chinesisch sprechende Hochschulabsolventen chinesische Online-Essays und Blog-Beiträge für die deutsche Öffentlichkeit übersetzen und aufbereiten.

Weitere Informationen: www.stimmen-aus-china.de