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Die Geburt der Venus

Tourismus-Masterplan für Myanmar


Myanmar hat sich seit seiner Öffnung nach dem Regierungswechsel 2010 zu einer rasant aufstrebenden Tourismusdestination entwickelt. Zwischen 2011 und 2012 stiegen die internationalen Tourismusankünfte um knapp 30 Prozent. Damit kamen zum ersten Mal mehr als eine Millionen Gäste ins Land der goldenen Pagoden.

Mit seiner beeindruckenden Kultur, den uralten Traditionen, den bezaubernden Landschaften und Naturschätzen sowie der Gastfreundschaft seiner Menschen hat Myanmar ein beträchtliches touristisches Potenzial. Das haben nicht nur Freunde des nachhaltigen und respektvollen Tourismus erkannt. Investoren stehen bereit, das Land wird vermessen, Besitztümer wechseln die Hände und ein Staat mit mehr als 100 verschiedenen Volksgruppen versucht sich auf eine touristische Zukunft vorzubereiten.

Zum Welttourismustag am 27. September 2013 stellte das burmesische Ministerium für Hotels und Tourismus in der Hauptstadt Nay Pyi Taw seinen Tourismus-Masterplan vor. Mit internationaler Unterstützung verschiedener Entwicklungsorganisationen und unter Mitwirkung des Tourismusverbandes von Myanmar wird darin ein Weg beschrieben, den Tourismus in Myanmar von 2013 bis 2020 auf nachhaltige und respektvolle Weise zu entwickeln. Erklärtes Ziel ist, aus der touristischen Entwicklung des Landes einen größtmöglichen Nutzen für die einheimische Bevölkerung zu ziehen, Einkommen zu schaffen und dafür zu sorgen, dass der soziale und wirtschaftliche Nutzen gerecht verteilt wird.

Vor dem Hintergrund des momentan tief greifenden Transformationsprozesses von einer Militärdiktatur zur Demokratie, der das Land vor große Herausforderungen stellt, ist das ein anerkennenswertes Ziel. Neun Leitprinzipien weisen den Weg dorthin: von der Entwicklung des Tourismus als Schwerpunktsektor über den Erhalt von kultureller Vielfalt und Authentizität bis zum Vermeiden unethischer Praktiken wird ein ganzheitlicher Ansatz gewählt.

Zwischen Optimismus und Skepsis

Bei diversen Pausengesprächen am Rande der Präsentation des Masterplan vor internationalen Entwicklungsorganisationen ist sowohl Optimismus als auch zurückhaltende Skepsis zu spüren. Andrea Valentin von "Tourism Transparency" wertet die Bemühungen um den Plan als positiv, schon weil es vorher noch nie eine solche Planung gegeben habe. Jedoch bleibt für sie ungewiss, ob es wirklich gelingt, die burmesische Bevölkerung an der Tourismusentwicklung partizipieren zu lassen. Aktuell hat sie eher den Eindruck, es werde langfristig auf hochpreisigen Luxustourismus gesetzt. Aus den Reihen der burmesischen Zivilgesellschaft hört Andrea Valentin große Kritik, denn dort ist man sich sicher, dass Myanmars Tourismusentwicklung ohne Beratung mit dieser wichtigen Gruppe vorangetrieben wird. "Sollte die Zivilgesellschaft zukünftig ausgeschlossen werden, dann ist das politische Handlungskonzept für verantwortlichen Tourismus, auf der der Plan basiert, nur ein Blatt Papier", so Valentin.

"Der Masterplan wurde zeitnah und relativ zügig zur derzeitig rasanten wirtschaftlichen Entwicklung vorgelegt", meint Achim Munz, Mitarbeiter der Hanns-Seidel-Stiftung. Er sieht die Hauptkritikpunkte in der begrenzten Darstellung der Durchführungsplanung. Weiterhin kämen Dezentralisierung und Föderalismus, die doch eigentlich im Zentrum der politischen Bestrebungen des Landes stehen, im Plan kaum zur Geltung. "Regionale Kompetenzen werden nicht ausgewiesen und derzeitige und zu erschließende Destinationen werden aus einem sehr nationalen Ansatz heraus betrachtet", so Munz.

Yin Myo Su (kurz Misuu), eine engagierte Geschäftsfrau, die sich für eine gerechte und nachhaltige Gemeindeentwicklung und die Beteiligung von Frauen stark macht, hält es für eine besondere Herausforderung, die vielen verschiedenen Bereiche wie Finanzen, Politik, Tourismus, Bildung, Sicherheit, Verkehr und Infrastruktur zusammenarbeiten zu lassen. Dazu gebe es einen hohen Druck durch zahlreiche Investoren. "In Myanmar haben wir mit solchen Entwicklungsprozessen noch keine Erfahrung. In unserer Vergangenheit wurde über uns bestimmt und selbständiges Denken war gefährlich", so Misuu.

Als Leiterin einer Hotelkette in Myanmar und Initiatorin eines Trainingszentrums für das Hotelgewerbe sieht sie eine Gefahr im Mangel an ausgebildeten Fachkräften im Tourismussektor. Doch wenn Myanmar es schaffe, den Plan zwar mit internationaler Hilfe, jedoch mit den eigenen Menschen umzusetzen, dann könnte dies ein einzigartiges Modell werden.

Eine ganz besondere Rolle spielen für Misuu die Frauen des Landes. "Burmesinnen sind in all dieser Entwicklung ein wichtiger Hoffnungsträger. Wir sind stolz auf unser kulturelles Erbe und auf das was uns zu Burmesen macht. Unsere Geschichten sind unser Kapital." Und sie sagt: "Burma ist wie 'Die Geburt der Venus' auf dem Gemälde von Botticelli. Schön wie die nackte Venus aus dem Wasser kommend, mit ihrem goldenen Haar. Jeder bestaunt sie, jeder will ein bisschen von ihr. Es ist so schwer zu wählen: Wer ist der richtige Partner, was die richtige Rolle? Sie ist nackt und unvorbereitet – und sehr zerbrechlich."

Annegret Zimmermann arbeitet bei Brot für die Welt zum Themenfeld Klimawandel, Katastrophenvorsorge und Tourismus.

(5.051 Zeichen, Dezember 2013)