Blog

Das Vabanquespiel mit ausländischen Kapitalinvestitionen in Kuba

Kuba zwischen Plan- und Marktwirtschaft


Bereits 1987 war der Tourismus ein Wirtschaftszweig, dem man in Kuba eine besondere Bedeutung beimaß. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks im Jahr 1989 erreichte diese Fokussierung jedoch eine völlig neue Dimension. Kuba erlebte seine größte wirtschaftliche, soziale und politische Krise: Das Bruttoinlandsprodukt sank um 35 Prozent und Kuba verlor 85 Prozent seiner Handels- und Finanzbeziehungen. Die Regierung reagierte, indem sie auf den internationalen Tourismus setzte und das Land stärker für ausländische Investitionen öffnete. Die Zukunft des Tourismus in Kuba ist genauso ungewiss wie die politische Zukunft des Landes.

Eine gespaltene Wirtschaft

Kuba ist eine sozialistische Republik mit einem Einparteiensystem. Seine Plan-wirtschaft basiert auf Volkseigentum, der Staat verfügt über die Produktionsmittel, wenngleich sich diese teilweise auch in Privatbesitz befinden. Nach dem Zusammen-bruch des Ostblocks führte Kuba einige Wirtschaftsreformen durch, öffnete das Land zum Beispiel für ausländische Direktinvestitionen in Form von Joint-Venture-Unter-nehmen und legalisierte den US-Dollar als Zahlungsmittel ("Dollarisierung"). Zudem gab es eine gewisse Offenheit für nichtstaatliche Kleinunternehmen, wie etwa selbständige Arbeit im Ein-Personen-Betrieb oder in kleinen Familienbetrieben. Das dadurch entstandene wirtschaftliche Modell gilt offiziell weiterhin als sozialistisch, zeichnet sich gegenwärtig jedoch durch eine sehr starke Segmentierung aus. Es hat sich eine duale Wirtschaft herausgebildet, die aus einem traditionellen Sektor für die Binnenwirtschaft und einem exportorientierten Devisensektor besteht. Jeder Sektor operiert mit einer eigenen Währung: Im traditionellen Sektor wird mit dem kubanischen Peso bezahlt, im exportorientierten Devisensektor mit US-Dollar.

Das Ergebnis dieser Entwicklung ist eine einzigartige Kombination von Plan- und Marktwirtschaft. Diese Situation führt zur Entstehung neuer Formen des Eigentums und der Betriebsführung. Neu ist auch die Art und Weise, Devisen zu generieren: Dies geschieht etwa durch die Erhebung von Steuern für Unternehmen im exportorientierten Devisensektor. Auch die Autorisierung für Lizenzen zur selbständigen Arbeit, die Abgaben für Selbständige oder Lizenzgebühren sind immer dann in Devisen zu entrichten, wenn die Kunden in ausländischen Währungen zahlen sollen. Letzteres betrifft beispielsweise die private Zimmervermietung an Ausländer, selbständige Taxifahrer oder kleine Privatrestaurants.

Zunehmendes Einkommensgefälle

Im Zeitraum von 1995 bis 2005 erreichte Kuba ein bemerkenswertes Wirtschafts-wachstum von jährlich 4,5 Prozent. In der Folge nahm jedoch die Inflation zu und die reale Kaufkraft der Kubaner ab. Eine Entwicklung, die den gesellschaftlichen Zerfall beförderte und noch dadurch verstärkt wurde, dass der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen begrenzt bzw. nicht kontinuierlich gewährleistet ist. Das Ergebnis dieses Prozesses ist ein Einkommens- und Konsumgefälle im Land. In verschiedenen Untersuchungen kommen Forscher und internationale Organisationen überein-stimmend zu dem Ergebnis, dass ein Teil der kubanischen Bevölkerung über ein zu geringes Einkommen verfügt, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Diese Situation führt zur Marginalisierung und zu Armut unter den Betroffenen.

Im Vergleich mit allen anderen lateinamerikanischen Staaten weist Kuba jedoch weiterhin gute Werte bei den sozialen Indikatoren auf. So lag der Index für menschliche Entwicklung (HDI) in Kuba im Jahr 2007 bei 0,865. Damit nimmt das Land weltweit Platz 51 ein. Aus Lateinamerika und Karibik liegen nur Barbados (Rang 37), Chile (Rang 44), Argentinien (Rang 49) und Uruguay (Rang 50) vor Kuba. In Mittelamerika und der Karibik liegt Kuba mit seinem HDI sogar an zweiter Stelle.

Soziale und wirtschaftliche Veränderungen durch Tourismus

Der Einsatz für den Tourismus sowie die Strategie, so schnell wie möglich eine möglichst große Zahl von Touristen ins Land zu holen, wurden 1991 auf dem IV. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) vom damaligen Partei- und Regierungschef Fidel Castro unterstützt. Er rechtfertigte den Bau tausender Hotelzimmer mit der Notwendigkeit, Devisen zu erwirtschaften. Um "das Vaterland, die Revolution und den Sozialismus zu retten", sei es nötig, Opfer zu bringen (IV. Kongress der PCC am 10. Oktober 1991). Das starke Wachstum bei allen mit dem Tourismus in Verbindung stehenden Indikatoren (Unterkünfte, Nachfrage, Einnahmen) hat zu einer sozialen und wirtschaftlichen Transformation geführt. Dieser Wandel betrifft die Bevölkerung, die Umwelt, die Gesetzgebung und nicht zuletzt auch die Lebensweise.

Das Tourismus-Modell, das zurzeit auf der Insel Anwendung findet, unterscheidet sich nicht wesentlich von den Angeboten in Zentralamerika und der Karibik und ist daher nicht sehr wettbewerbsfähig. Die vorherrschende Marktposition internationaler Reise-anbieter mit ihren Pauschalangeboten, die 70-80 Prozent des touristischen Angebots ausmachen sowie "All inclusive"-Reisen ist Ausdruck einer oligopolistischen Tendenz, die mit der Globalisierung einhergeht. Diese Tendenz hat zudem zur Folge, dass die lokale Bevölkerung immer weniger vom Tourismus profitieren kann. Dabei führt diese Art des Tourismus zu denselben Abhängigkeiten, denen sich auch die Mehrzahl der anderen Reiseziele in der Karibik ausgesetzt sieht. Dies gilt insbesondere in der aktuellen Situation, da viele Veranstalter miteinander fusionieren und auf diese Weise verstärkt Reiseziele und Preise diktieren können.

Das Besondere am kubanischen Modell

Die Besonderheit des touristischen Modells auf Kuba hängt damit zusammen, dass es in diesem Fall der Staat selbst ist, der die Entwicklung des Tourismus steuert. Er entscheidet über Intensivierung und Ausweitung des Tourismus, mit allen positiven wie negativen Wirkungen, die dadurch erzielt werden. Und es ist der Staat, der die Strategie aufgreift, "künstliche Paradiese" zu schaffen.

Bis jetzt haben spanische Unternehmen die Tourismuslandschaft in Kuba dominiert, künftig wird jedoch mit einer deutlichen Zunahme von Investitionen unter anderem aus China, Katar, den Bermuda-Inseln und Brasilien zu rechnen sein. Bis zum Jahr 2015 sind 20.000 neue Zimmer vorgesehen, was einem Wachstum von 40 Prozent entspricht. Der Ausbau wird sich vor allem auf Varadero und die vorgelagerten Inseln Cayo Santa María und Cayo Coco konzentrieren. Zudem sollen weitere, noch unberührte Cayos an der Nordküste Kubas für den Tourismus erschlossen werden.

Auswirkungen des Tourismus

Die gegenwärtigen Auswirkungen des Tourismus sind deutlich: Es werden mehr Devisen eingenommen und es erfolgt eine gewisse Umverteilung der Einnahmen. Reichweite und sozioökonomische Wirkung des Tourismus auf die Bevölkerung sind jedoch schwierig zu bestimmen. Selbstverständlich hat man auch negative Auswirkungen auf die Umwelt festgestellt, die von der Zerstörung von Mangroven-wäldern bis zur Austrocknung von Gewässern reichen, wie zum Beispiel in Varadero. Die Staatsausgaben sind zunehmend darauf ausgerichtet, den Tourismus zu fördern. Die Aufgaben der Kommunen werden dabei nicht vergessen, denn soziale Sicherheit und Bildung spielen weiterhin eine große Bedeutung.

Die geopolitischen und wirtschaftlichen Veränderungsprozesse Ende der 1980er Jahre haben zweifelsfrei die Entwicklung hin zu einer Vorrangstellung des Tourismus in Kuba beschleunigt. Hinzu kommt, dass sich zu Beginn der 1990er Jahre spanische transnationale Unternehmen im Tourismussektor in einer Phase der geographischen und wirtschaftlichen Expansion befanden. Deren Unternehmenskonzept ist relativ einfach umzusetzen und bietet außerdem eine kurzfristige Rendite. Der kubanische Staat übernimmt gegenwärtig dieses Modell, allerdings mit der Besonderheit, dass hier der Staat selbst als Unternehmer agiert.

Moderatere touristische Erschließung

Im Vergleich zu anderen Zielen in Mittelamerika und der Karibik ging die touristische Erschließung auf Kuba viel moderater von statten. Sie lief langsamer ab und blieb ausschließlich auf Hotels beschränkt. Es wurden keine Golfplätze oder Yachthäfen geschaffen und der Tourismus bewirkte keinen Immobilien-Boom. Die kurzfristige Kapitalspritze für Touristenunterkünfte zur Vermietung oder zum Verkauf wird eine neue Phase einläuten. Die Auswirkungen werden davon abhängen, welche Gebiete ausgebaut werden und mit welcher Geschwindigkeit sich dieser Prozess vollzieht. Die negativen Auswirkungen des Immobilien-Tourismus sind in der Dominikanischen Republik, in Mexiko, Costa Rica und Jamaika bereits klar zu Tage getreten.

Tourismus nach internationalem Vorbild?

Wie wird Kuba agieren? Der Staat fördert und steuert zugleich die Entwicklung des Tourismus. Von ihm wird abhängen, ob Modelle anderer Länder einfach übernommen werden und Kuba sich in der Folge nicht von den anderen Wettbewerbern unterscheiden wird. Die transnationalen Hotelketten, seien es spanische oder andere Konzerne, setzen immer dasselbe Tourismus-Modell um, und zwar unabhängig davon, ob es sich um schwache Staaten handelt, wie in der Dominikanischen Republik, oder um einen sehr kontrollierenden Staat, wie in Marokko. Dieses Modell sieht nicht vor, die Vorteile des Tourismus transparent an die Bürger und Bürgerinnen weiterzugeben, es marginalisiert die lokale Bevölkerung durch die Schaffung isolierter Tourismus-Komplexe, die auf lokaler Ebene keinerlei positive Effekte mit sich bringen. Die touristischen Einrichtungen werden zudem vor allem in Zonen errichtet, die ökologisch besonders wertvoll sind.

Das Joint-Venture-Modell hat es möglich gemacht, dass Kuba Erfahrungen sammeln konnte, um künftig eigene transnationale Tourismuskonzerne mit Staatskapital zu schaffen. Diesbezüglich gibt es bereits konkrete Pläne zwischen Kuba und China, ein Hotel in jedem Land zu errichten: Zum einen das Hotel "Habana SunCuba" am Hemingway-Yachthafen und zum anderen das Hotel "Shanghai SunCuba" in China.

Die Zukunft des Tourismus in Kuba wird von innenpolitischen und außenpolitischen Bedingungen abhängen, wobei es nicht allein auf eine rein wirtschaftliche oder gar ökonomistische Perspektive ankommt. Denn kurzfristig mag es wirtschaftlich ein gangbarer Weg sein, bestehende Modelle aus anderen Ländern einfach zu übernehmen, langfristig wird eine solche Entwicklung jedoch weder für die Umwelt, noch sozial oder wirtschaftlich nachhaltig sein.

Enrique Navarro Jurado ist Professor für Geographie an der Universität Málaga, Spanien. Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag des Autors für ein Seminar zu Tourismus und Entwicklung, das im Juli 2010 in der Dominikanischen Republik stattfand.

Übersetzung aus dem Spanischen: Bettina Hoyer, lingua•trans•fair

(10.788 Anschläge, 143 Zeilen, Dezember 2010)