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Brücken schlagen statt Mauern bauen

Bethlehem 2000 Jahre später


“Kämen Maria und Josef heute nach Bethlehem durch?”, fragte mich vor kurzem ein europäischer Journalist, nachdem er den Kontrollpunkt vor der Stadt passiert hatte. Dieser “Checkpoint“, erinnert stark an den Checkpoint Charlie an der ehemaligen Grenze in Ost-Berlin. Es sind keine Soldaten zu sehen, denn sie sitzen hinter kugelsicheren und verspiegelten Fenstern. Man sieht auch keine Schilder, man wird nur durch eine “Stimme“ geleitet: “Rechts... Stopp... Links...“.

Dass so ein Checkpoint im 21. Jahrhundert errichtet und von der Weltgemeinschaft toleriert wird, ist für die betroffenen Menschen unfassbar. Dass er kurz vor Weihnachten 2003 in Betrieb genommen wurde, quasi als ein Weihnachtsgeschenk des Staates Israel an die Stadt Bethlehem und ihre Bewohner, ist grotesk. Dass er aber von den USA finanziert wird, “um das Leben der Palästinenser zu erleichtern“, ist die Krönung. Seit 2003 baut Israel um Bethlehem eine 50 Kilometer lange und neun Meter hohe Mauer.Maria und Josef aus Nazareth würden heute am Checkpoint nicht durchgelassen. Sie würden einfach bis zur Mauer vor Bethlehem kommen, weiter nicht. Die israelische Regierung verbietet israelischen Juden, die “West Bank“ zu betreten – aus “Sicherheitsgründen“ natürlich.

Warum hat das israelische Militär Angst, dass jüdische Israelis und Palästinenser sich begegnen? Könnten sie vielleicht die Menschlichkeit der “Gegner“ auf der anderen Seite entdecken und der Besatzung Widerstand leisten? Würden sie eventuell sehen, dass die “Anderen“ gar nicht so anders sind, wie propagiert wird? Könnten sie womöglich die eigene Staatsideologie in Frage stellen? Wird die Mauer womöglich so hoch gebaut, damit die “Anderen“ auf der “anderen Seite“ unsichtbar bleiben? Damit man nicht sieht, dass es “Menschen wie wir“ sind?

Für Touristen, die die Mauer passieren, heißt es auf English “Friede sei mit Euch.“ Dieser Satz der israelischen Militärs hat nichts mit der Weihnachtsbotschaft der Bibel zu tun. Die Hirten, die diese Botschaft einst gehört hatten, sprachen untereinander: “Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist.“ Wir laden Menschen guten Willens aus allen Ländern ein und sagen: “Kommt nach Bethlehem und seht mit eigenen Augen, was hier los ist: Mauer und Besatzung, aber auch Menschen, die mit ihrer Kultur, auch Friedenskultur, Gäste mit offenen Armen empfangen.“

Was das Heilige Land braucht, sind keine Mauern, sondern Brücken. Weihnachten ist nichts anderes als die Geschichte des größten Brückenbaus der Weltgeschichte. Gott selbst schlug eine Brücke zwischen Himmel und Erde. Er wollte nicht, dass der Mensch in seiner Feindschaft verharrt und sich verhärtet. Er riss die “Mauer der Feindschaft“ nieder und streckte seine Hand dem Sünder entgegen, der sich gegen ihn verstrickt hatte. Gott wurde Mensch, sichtbar, verletzbar, ein Mensch ganz so wie wir, damit er Frieden stifte. Seitdem sind wir als Christen berufen und als Menschen aufgerufen, selbst zu Brückenbauern zu werden. Eine andere Botschaft haben wir in diesem Konflikt nicht. Zu Weihnachten haben wir keine andere Botschaft als “Macht hoch die Tür, die Tor’ macht weit.“

In diesem Jahr sind die Straßen Bethlehems geschmückt wie in keinem Jahr zuvor, obwohl Mauer und Checkpoints die Stadt zu erwürgen suchen. Warum das so ist? Weil das Geheimnis des Christkindes uns davor bewahrt, die äußeren Betonmauern in unseren Köpfen zu verinnerlichen. Unsere Menschlichkeit darf uns niemand nehmen. Wir dürfen das Feiern nicht verlernen, auch wenn uns nicht nach Feiern zumute ist. Wenn dies gelingt, dann ist wahrlich Weihnachten. Dann ist dies ein Geschenk des Himmels an uns Menschen hier in Bethlehem, heute wie vor 2000 Jahren.

Dr. Mitri Raheb ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem und Präsident des Diyar Consortiums, zu dem auch das Internationale Begegnungszentrum gehört. Er ist Träger des Friedenspreises der Stadt Aachen.

(3.786 Anschläge, 51 Zeilen, Dezember 2008)