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Als Freiwilliger für den Frieden

Ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und Israel


In Jayyous im Nordwesten des von Israel besetzten Westjordanlandes leben die meisten Einwohner von der Landwirtschaft. 75 Prozent der Agrarflächen liegen jedoch auf der anderen Seite der Sperranlage - einem elektrisch gesicherten Zaun mit Fahrwegen beiderseits für das israelische Militär. Die palästinensischen Bauern, die von der israelischen Militärbehörde eine Genehmigung erhalten haben, können durch drei so genannte "Gates" zu ihrem Land auf der anderen Seite der Sperranlage gelangen. Doch nicht immer geht dies ohne Schikanen und Verzögerungen, z.B. durch die verspätete Öffnung der "Gates" und übertriebene und zeitaufwendige Kontrollen.

Um der palästinensischen Bevölkerung Schutz zu gewähren und den gewaltlosen Widerstand lokaler christlicher und muslimischer Palästinenser und israelischer Friedensaktivisten gegen die Besetzung des Westjordanlandes zu unterstützen, sind seit sieben Jahren regelmäßig ausländische Ehrenamtliche vor Ort. Teams des Ökumenischen Begleitprogramms in Palästina und Israel (Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel - EAPPI) des Weltkirchenrates sind in sechs Orten im Westjordanland tätig. Sie setzen sich für politische Veränderungen ein und zeigen sich solidarisch mit den Kirchen, den Menschen vor Ort und allen, die sich gegen die Besetzung wenden. Der EAPPI-Verhaltenskodex bekräftigt, dass die Ehrenamtlichen in diesem Konflikt für keine Seite Partei ergreifen und niemanden diskriminieren. Sie sind aber nicht neutral, wenn es um die Einhaltung der Menschenrechtsgrundsätze und der Prinzipien des humanitären Völkerrechts geht. Den Armen, Unterdrückten und Ausgegrenzten stehen sie solidarisch zur Seite.

Einsatz in Jayyous

Zusammen mit drei weiteren Ehrenamtlichen konnte ich von Januar bis April 2009 durch meine Anwesenheit an den "Gates" in Jayyous immer wieder dazu beitragen, dass die täglichen Öffnungszeiten eingehalten und die Kontrollen durch die israelischen Soldaten einigermaßen zügig und ohne Schikanen vorgenommen wurden. Manchmal konnten wir sogar eine Verlängerung der Öffnungszeit erreichen.

In vielen Situationen war es uns möglich, den Menschen zu helfen, in anderen waren wir machtlos. So zum Beispiel am Kontrollpunkt ("Checkpoint") in der nahe gelegenen Stadt Qalqiliya. Dieser "Checkpoint" wird täglich um vier Uhr morgens geöffnet und wird von bis zu 3.000 Palästinensern passiert, die eine Arbeitserlaubnis für Israel haben. Für das Betreten des "Checkpoints" steht nur eine Drehtür zur Verfügung. Im "Checkpoint"-Gebäude sind für die Kontrolle der Papiere, des Handabdrucks und des Gepäcks nur wenige Schalter geöffnet. Daher kommt es immer wieder zu Staus. Die Menschen drängen nach vorne und blockieren sich gegenseitig vor der Drehtür. Das sind menschenunwürdige Verhältnisse. Wir haben erlebt, dass israelische Soldaten in dieser Situation Warnschüsse abgaben und Tränengasgranaten warfen. Hier hatten wir keinen Einfluss. In der Hoffnung, auf diesem Wege etwas zu erreichen, blieb uns nur, immer wieder Berichte zu schreiben, z.B. an das Internationale Rote Kreuz und israelische Menschenrechtsorganisationen. Ebenso machtlos waren wir, als israelische Soldaten in Jayyous Häuser durchsuchten und Männer verhafteten.

Solidarität hilft

Dennoch - für die Menschen ist es wichtig, dass Ausländerinnen und Ausländer vor Ort sind. Die Anwesenheit der EAPPI-Teams kann den Menschen in den besetzten Gebieten zwar ihre Zuversicht nicht zurückgeben. Doch auch wenn in konkreten Situationen wenig zu erreichen ist, hilft ihnen unsere Solidarität. So gab es an den "Gates" Situationen, in denen wir dafür sorgen konnten, dass nicht zu früh geschlossen wurde. Immer wieder haben uns Menschen aus dem Dorf bestätigt, wie wichtig es ihnen sei, dass das tägliche Leben, zum Beispiel an den "Gates", ein wenig erleichtert werde. Sie möchten nicht vergessen werden und wünschen sich, dass im Ausland über ihr Leben unter der Okkupation berichtet wird.

Als Ehrenamtlicher im Rahmen des Ökumenischen Begleitprogramms muss man sich auf das tägliche Leben der Menschen einlassen, ihnen als Gesprächspartner zur Verfügung stehen und sie im Rahmen der Möglichkeiten unterstützen. Das erfordert Interesse an der gegenwärtigen Situation in Israel und Palästina und an den historischen Hintergründen der heutigen Konfliktsituation. In Vierer-Teams werden die Aktivitäten gemeinsam vorbereitet und durchgeführt. Da die Teammitglieder aus unterschiedlichen Staaten stammen und man sich mit den meisten Palästinensern auf Englisch verständigen kann, ist Englisch die Verkehrssprache. Zudem können die Teams darin auch Konversationsunterricht für Jugendliche anbieten.

Reisen mit offenen Augen

Wenn Sie als Tourist in die Region reisen, machen Sie keinen Bogen um Palästina und machen Sie nicht nur- wie von den meisten Reiseanbietern vorgesehen - einen halbtägigen Abstecher nach Bethlehem. Nehmen Sie sich Zeit für Palästina und seine Menschen. Wer mit offenen Augen durch das Land reist, sieht nicht nur den Reiz seiner Landschaften und Städte (wie Bethlehem, Hebron, Nablus, Jericho und Ramallah), sondern erfährt auch viel über die Lebensweise der Menschen und ihre schwierige Situation. Reisende unterstützen dadurch nicht nur die Menschen, die vom Tourismus leben - was angesichts der Einschränkungen, denen die Wirtschaft auf Grund der Okkupation unterworfen ist, schon wichtig genug ist. Sie tragen auch dazu bei, dass die Menschen wieder ein wenig Mut fassen, wenn sich jemand für ihr Leben interessiert.

Weitere Informationen: http://www.eappi.org/

http://www.fairunterwegs.org/jung-fair.html

http://www.fairunterwegs.org/community/blog.html (Auf dem Blog "Jung & Fair" haben vom November 2008 bis zum Mai 2009 MenschenrechtsbeobachterInnen aus Palästina/Israel gebloggt.)

 

Götz Schindler war bis zu seiner Pensionierung wissenschaftlicher Referent im Bereich Bildungs- und Hochschulforschung. Er engagiert sich in der Kommunalpolitik, in Arbeitskreisen der lokalen Agenda 21 und in Aktivitäten zur Integration ausländischer Mitbürger. Von Januar bis April 2009 war er für das Evangelische Missionswerk in Südwestdeutschland (EMS) als Ökumenischer Begleiter im Rahmen von EAPPI in Palästina.

(5.580 Anschläge, 74 Zeilen, Juni 2009)