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Zwischen Skepsis und Aufbruch

Tourismus in den Gebieten ethnischer Minderheiten in Myanmar


Myanmar durchläuft in dreifacher Hinsicht einen Wandel: von einem Militär-System zu einer demokratischen Staats- und Regierungsführung, von zentraler Planwirtschaft zur Marktwirtschaft und von 60 Jahren Konflikt zum Frieden in den Grenzgebieten, in denen verschiedene ethnische Gruppen leben. Diese Gebiete haben ein hohes touristisches Potenzial, dank der natürlichen Landschaften mit Bergen, langen Küstenstreifen und Inseln, einem reichen kulturellen Erbe und ihrer Nähe zu Thailand. Deshalb stehen sie zunehmend im Fokus von Programmen zur Tourismusförderung.

Die ethnischen Minderheiten des Landes leben vor allem in den sieben Staaten entlang der Landesgrenzen.Die Staaten Kayin, Mon und Kayah und die Region Tanintharyi leiden alle seit Jahrzehnten unter Konflikten. Die zwei größten bewaffneten ethnischen Gruppen in diesen Gebieten sind die Karen National Union (KNU) und die New Mon State Party (NMSP). Beide befinden sich im Waffenstillstand mit der Regierung. Die Waffenruhe der Mon ist stabiler und es gibt weniger Splittergruppen als unter den Karen.DieNew Mon State Party kontrolliert eine Reihe von Waffenstillstandszonen in den Gebieten der Mon. Durch bewaffnete Mon-Banditen und Fälle von Piraterie im Myeik-Archipel ist die Sicherheitslage in den östlichen Gebieten des Mon-Staates problematisch. Seit August 2013 sind die vier Grenzübergänge nach Thailand, darunter auch der in Mae Sot-Myawadi, für Touristen geöffnet, die nach Yangon reisen wollen. Dies könnte zu einer bedeutenden Erschließung des Gebietes für aus Thailand einreisende thailändische und ausländische Touristen führen. Es gibt jedoch weiterhin kaum Infrastruktur, z.B. Verkehrsverbindungen und Hotels, und die Sicherheitslage bleibt in einigen Gegenden problematisch.

Unternehmen, nicht-staatliche bewaffnete Gruppen wie die KNU und die NMSP, und zivilgesellschaftliche Organisationen im Kayin- (Karen) und Mon-Staat sind unterschiedlicher Ansicht, was den richtigen Zeitpunkt für die Öffnung der Region für den Tourismus angeht. Besonders einige bewaffnete Karen-Gruppen sind gegen Entwicklung, solange es keinen landesweiten Waffenstillstand und politischen Dialog gibt. Zwar wird der Tourismus hinsichtlich möglicher negativer Auswirkungen im Allgemeinen für weniger riskant gehalten als Konzessionen für den Bergbau oder die Agarwirtschaft. Doch die bewaffneten Karen-Gruppen befürchten auch, dass die burmesischen Streitkräfte (Tatmadaw) unter dem Vorwand, die Sicherheit der Touristen zu gewährleisten, ihre militärische Präsenz ausweiten könnten.

Skepsis bei den Karen

In den Kayin-Gebieten überwiegen im Allgemeinen die negativen Meinungen darüber, wer von Tourismus-Konzessionen profitiert hat und profitieren wird. Es herrscht die Ansicht, dass es eher Unternehmen des alten Klüngels mit lokalen Beziehungen zum Militär sein werden als einheimische Karen. Eine weitere Sorge hängt mit den fehlenden Rücksprachen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gemeinschaften in Bezug auf Tourismusprojekte zusammen. Aufgrund von Protesten gegen die mangelnde Konsultation wurde 2013 ein Hotelprojekt gestoppt, das auf einem Fußballplatz in Hpa-an entstehen sollte.Es gibt aber auch Ausnahmen. Khiri Travel Myanmar, ein Reiseveranstalter mit Sitz in Yangon, bietet Kayak-Touren im Kayin-Staat an, die von Ortsansässigen aus den Dörfern geführt werden. Dadurch konnten für die Gemeinschaft Einnahmen in Höhe von 10.000 US-Dollar erzielt werden. Die KNU unterstützt Karen-Unternehmer bei lokalen Firmengründungen und bietet unter anderem Beratung zu Finanzierungsmöglichkeiten, um dem Volk der Karen zu mehr Wohlstand zu verhelfen.

Mit dem aktuellen Waffenstillstand ist die Region von Frieden zwar noch weit entfernt, doch die Waffenruhe bietet Chancen für die Entwicklung des Tourismus. Durch die Förderung von Dialog, dem Wert lokaler Kultur, dem Abbau kultureller Barrieren und mehr wirtschaftlicher Sicherheit kann der Tourismus auch einen positiven Beitrag zu einer “Kultur des Friedens” leisten.Es ist jedoch wichtig festzustellen, dass Entwicklung keinen Anreiz für Frieden schafft, sondern dass vielmehr Entwicklung und Frieden komplementäre und sich gegenseitig stärkende Prozesse sind.

Weniger Bedenken bei den Mon

Führungspersönlichkeiten anderer ethnischer Gemeinschaften wie der Mon scheinen eine positivere Einstellung in Bezug auf die frühzeitige Entwicklung des Tourismus zu haben als einige Karen, und sie haben in Bezug auf Genehmigungen unter Umständen weniger Probleme. Die Kyaikhtiyo-Pagode (der "goldene Fels”) ist eine Hauptattraktion für Einheimische ebenso wie für Ausländer, z.B. thailändische Pilger. Um mehr Touristen anzulocken, plant das Ministerium für Hotellerie und Tourismus die Entwicklung fünf neuer touristischer Ziele im Mon-Staat. Einige Einheimische haben bereits lokale Unternehmen und Ökotourismusprojekte gegründet und betrachten den Tourismus als einen Weg, um Kulturerbestätten Anerkennung zu verschaffen und sie zu schützen. Jedoch gibt es im Mon-Staat, wie anderswo auch, Sorgen, dass der Tourismussektor derzeit von Unternehmen mit Beziehungen zur Regierung dominiert wird. Kürzlich bekam eine lokale Firma grünes Licht, ein Hotel und eine Strandresort-Zone in Ye zu bauen.

Bedeutende Herausforderungen

Die Gebiete der ethnischen Minderheiten haben ein beträchtliches Tourismuspotenzial. Es gibt Gegenden von historischer und kultureller Bedeutung, mit Kriegsgräbern, der burmesischen Eisenbahn, Pagoden und ethnischen Baudenkmälern, schönen Landschaften und wertvollen Ökosystemen. In einigen Gebieten gibt es jedoch anhaltende Unsicherheit und das Land ist durch Minen verseucht. Dagegen muss etwas getan werden. Auch die unzureichende Infrastruktur beeinträchtigt den Tourismus. Die Tourismusentwicklung und Verteilung der Einnahmen könnte potenziell Auswirkungen auf die Dynamik des Konfliktes haben – positiv oder negativ.

Firmen, die in solchen Regionen investieren oder Reisen dorthin organisieren wollen, sollten alle relevanten Interessengruppen konsultieren, einschließlich der Führungspersönlichkeiten ethnischer Gruppen, nichtstaatliche bewaffnete Gruppen und konfliktsensible Experten, um sicher zu gehen, dass Tourismus gewünscht wird und dass es sich um den richtigen Zeitpunkt handelt. Insbesondere sollte die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen und gemeindebasierten Organisationen, so wichtig sie ist, kein Ersatz für die Konsultation der Gemeinschaften sein, bei der es darum geht, festzustellen, was für eine Art touristischer Entwicklung die Menschen vor Ort wollen.

Tulika Bansal ist Referentin für Menschenrechte und Entwicklung am Dänischen Institut für Menschenrechte in Kopenhagen, Dänemark. Vicky Bowman ist Direktorin des Myanmar Centre for Responsible Business (MCRB) in Yangon, Myanmar. Beide sind Mitautorinnen der sektorweiten Folgenabschätzung zum Tourismus in Myanmar.

Weitere Informationen:

Tourism Sector-Wide Impact Assessment (SWIA), Hg. vom Myanmar Centre for Responsible Business (MCRB) in Kooperation mit dem Danish Institute for Human Rights und dem Institute for Human Rights and Business. Februar 2015.

Download:www.myanmar-responsiblebusiness.org/swia/tourism.html

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(6.514 Zeichen, Juni 2015, TW 79)