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Weltgipfel in Johannesburg: Nachhaltige Enttäuschung auch zum Tourismus

Ein Kommentar von Christina Kamp


Wer nichts erwartet hat, konnte auch nicht enttäuscht werden. Dies ist wohl die treffendste Einschätzung, unter der der "Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung" rückblickend zu sehen ist. Schon bei den Vorbereitungskonferenzen für das große "Event“ zehn Jahre nach dem Weltgipfel von Rio war klar geworden, dass Ende August/Anfang September 2002 in Johannesburg keine großen Durchbrüche zu erzielen sein würden. Zu deutlich war die Blockade-Politik der US-Regierung, zu uneins die Europäische Union, zu klar auch, dass alle hehren Ziele und Aktionspläne nichts nützen, wenn den programmatischen Erklärungen nicht Taten folgen, die auch finanziert werden müssen.

Dass allerdings auch ein verhinderter Rückschritt als Minimal-Erfolg gewertet werden kann, betonte Martin Khor vom "Third World Network" in Malaysia. Der Versuch einiger Staatenvertreter, mit der Formulierung "WTO consistency“ die Dominanz der Welthandelsorganisation (WTO) über andere multilaterale Abkommen festzuschreiben, sei erfolgreich vereitelt worden. "Das wäre eine große Katastrophe gewesen“, meint Khor, denn die WTO-Abkommen stünden im Konflikt mit verschiedenen Vereinbarungen zu Umwelt und Menschenrechten, z.B. mit dem "Übereinkommen über Biologische Vielfalt (CBD)". So sei Johannesburg zwar eine "verpasste Chance“ gewesen, aber man könne doch auf einigen positiven Aspekten aufbauen. Dazu zähle vor allem, dass die Ergebnisse von Johannesburg die Verantwortung von Unternehmen stärker in den Blick rücken. "Damit können wir als NGOs arbeiten, und auch die Regierungen können damit etwas anfangen“, hofft Khor.

Vielleicht ist dies tatsächlich ein hoffnungsvoller Schritt hin zu "neuen Partnerschaften“ zwischen Regierungen, Unternehmen, NGOs und Organisationen des UN-Systems. Vielleicht leitet dies eine Entwicklung ein, die irgendwann einmal auch in verbindlichere Standards für die Umwelt- und Sozialverantwortung von Unternehmen mündet. Vielleicht ist es aber auch nur das ins Positive gewendete Bestreben, Verbindlichkeit und konkrete Zielvorgaben zu vermeiden, Zeithorizonte verschwimmen zu lassen und nur "wo möglich“ aktiv zu werden. Zu dieser Einschätzung tendiert Victoria Tauli-Corpuz, Direktorin der indigenen Tebtebba Stiftung aus Baguio City, Philippinen. Aber auch sie sieht Lichtblicke. Immerhin werde in den Ergänzungen und Korrekturen zur politischen Erklärung des Gipfels erstmals die wichtige Rolle indigener Völker - als "indigenous peoples“ gegenüber dem bisher üblichen Sprachgebrauch "indigenous people“ (Menschen, Leute) - für eine nachhaltige Entwicklung anerkannt. "Das "s" haben die USA wohl übersehen“, freut sich die Indigenen-Aktivistin. "Unser Recht auf Selbstbestimmung als Völker wird durch diese Formulierung wesentlich gestärkt“.

Völlig unklar bleibt, warum der verabschiedete Plan zum Handeln nun "Umsetzungsplan“ heißt - als ob er damit auch nur einen Schritt über frühere "Aktionspläne“ hinausgehen würde. Eher das Gegenteil ist der Fall. Der Versuch, den verschiedenen Themen irgendwie gerecht zu werden und sich neu auf Altbekanntes zu einigen, führte dazu, dass die abgehandelten Punkte hinter bereits bestehende Vereinbarungen zurückfallen mussten.

Das gilt gerade auch für den Tourismus. Die Staatenvertreter waren weit davon entfernt, die 1999 im Tourismus-Arbeitsprogramm der "Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD)" geforderte Bilanz zu ziehen. Weder die vor dreieinhalb Jahren beschlossenen Maßnahmen noch ihre tatsächliche Umsetzung wurden überprüft. Stattdessen enthalten die wenigen zum Tourismus verabschiedeten Absätze (s. Anhang) weder wirklich Neues noch halbwegs Konkretes. Als problematisch fällt vor allem die eingeengte Sichtweise auf das Nischensegment Ökotourismus auf, die europäische Umwelt- und Entwicklungsorganisationen bereits im Vorfeld des Weltgipfels kritisiert hatten (s. TW 27, Juli 2002). Ebenso deutlich ist auch die zunehmende Wirtschaftslastigkeit, im Vergleich zum Arbeitsprogramm der CSD, in dem die aktive Beteiligung aller wichtigen Akteursgruppen, insbesondere auch lokaler und indigener Gemeinschaften, eingefordert wurde. Daran hätte man anknüpfen müssen.

(4.221 Anschläge,60 Zeilen, Oktober 2002)