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Vor hundert Jahren: "Fußreisen" in den Bergen


Ausrüstung: Nicht zu leichter Anzug aus Wollstoff; Flanell- oder Normalhemden; wollene Strümpfe; weicher Filzhut mit Sturmband; leichter Wettermantel aus wasserdichtem Woll- oder Lodenstoff... Damen: Der Anzug besteht am besten aus einem möglichst glatten ungefütterten Lodenrock und einem wasserdichten Lodencape. Dazu eine Flanellbluse für Touren und eine Seidenbluse fürs Quartier. Besser als ein Unterrock sind geschlossene Pumphosen, die bei leichten Touren unter dem Rock getragen werden. Leibwäsche am besten von feinster Wolle... Statt des Bergstocks, der aus festem Eschen- oder Haselnussholz und mit einer starken Eisenspitze versehen werden muss, genügt für die gewöhnlichen Wanderungen ein Spazierstock oder Schirm mit Hakengriff und Eisenspitze...

Am besten ist ein wasserdichter Rucksack. Zu schwer sollte er schon deshalb nicht sein, weil man, wenn der Führer das Gepäck trägt, bei mehr als 8kg das Übergewicht zu bezahlen hat... Bei Hochtouren ist er verpflichtet, bis zu 8kg Gepäck einschließlich des Proviants und der Ausrüstung des Touristen unentgeltlich zu tragen... Die erforderlichen Seile und Steigeisen des Führers kommen dabei nicht in Anrechnung. Bei längeren Touren empfiehlt es sich den Führer nach dem Zeittarif zu mieten...Der Führer hat sich überall selbst zu verpflegen... Sonntags gehen die Führer meist erst nach der Messe.

An Nahrungsmitteln, die sich zum Mitnehmen eignen, sind in den Gebirgs-Wirtshäusern meist kalter Braten, kaltes Huhn, Speck, Salami, Eier, Käse, Butter vorhanden. Da der Magen des nicht an Anstrengungen gewöhnten Touristen leicht empfindlich wird und die Aufnahme derber Nahrung verweigert, empfiehlt es sich auf die Reise etwas Biskuit, Schokolade usw. mitzunehmen. Konserven verschiedener Art, Sardinen in Öl, Bouillonkapseln, Fleischpains, Kaffee, Tee usw. findet man in den meisten Unterkunftshütten. Gegen Durst ist zunächst Wasser, kalter gezuckerter Tee am besten, auch natürliche Fruchtsäfte oder Limonade... Für Touristen, die mit starkem Durst in Hütten oder der Talstation eintreffen, ist heißes Wasser mit Rotwein und Zucker zu empfehlen. Aus Gletscherwassern trinke man nur mit Vorsicht, keinesfalls ohne Beimischung von Kognak oder Rum; ebenso sei man beim Trinken von frischer Milch in Sennhütten vorsichtig und lasse sie lieber vor dem Genuss abkochen...

Vor größeren Wanderungen ziehe man Erkundigungen wegen des Wetters ein. Der Ausspruch der Führer und Wirte allein darf nicht als maßgebend betrachtet werden... Bergaufwärts-Weiden des Viehs gilt als sicheres Zeichen beständigen Wetters... Die amtlichen Wettervorhersagen werden in den Postämtern täglich ausgehängt.

(Selbstverleger!) Karl Baedeker: Handbuch für Reisende. Südbayern, Tirol und Salzburg. Ober- und Niederösterreich, Steiermark, Kärnten und Krain.Mit 73 Karten, 16 Plänen und 11 Panoramen. Vierunddreißigste Auflage. Verlag von Karl Baedeker, Leipzig 1910.

Anm. d. Red.: Auch Südtirol, das erst nach dem Zweiten Weltkrieg Italien zugeschlagen wurde, ist in dem Buch enthalten. Ein Radio für Wettervorhersagen gab es noch nicht. Bis auf den kalten Braten, die Salami und den Kognak können alle Angaben eins zu eins für Wanderungen bzw. für das Leben im Himalaya heute übertragen werden. Ohne Strom.

Daunen- und High-Tech-Ausrüstung wird nur von Trekkern und Bergsteigern, im Moment auch von Hilfsorganisationen ins Erdbebengebiet Pakistans gebracht und benutzt.