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Vom Traumschiff zum schwimmenden Freizeitpark

Kreuzfahrtbranche im Aufwind


Trotz Wirtschaftskrise ist der Boom der Kreuzfahrtbranche ungebrochen. Bei einem jährlichen Wachstum von sieben Prozent werden rund 50 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. Zwar ist der größte Markt die USA, aber auch in Europa hat die Branche mit fast 24 Milliarden Euro im Jahr 2006 zur Volkswirtschaft beigetragen, schätzt der Verband der Kreuzfahrtreedereien (CLIA). Von der Kreuzfahrtindustrie leben in Europa 280.000 Menschen, weltweit sind es mehr als 500.000.

Auch in Deutschland entwickelt sich dieser Tourismuszweig in rasantem Tempo. Entschlossen sich im Jahr 2002 nur 428.000 Deutsche zu dieser Form des Urlaubs, so wurde im Jahr 2009 die Millionenmarke übersprungen. Doch im Vergleich zu den 13,5 Millionen US-amerikanischen Urlaubern auf See sind dies noch relativ unbedeutende Zahlen.

Schwimmende Kleinstädte

Mit immer größeren "schwimmenden Hotels" versuchen die Branchenriesen eine möglichst große Rendite zu erzielen. Denn Treibstoff und Hafenliegegebühren sind teuer. Auch wachsen die Ansprüche der Urlauber. Bullaugen sind nicht mehr gefragt, möglichst viele Kabinen werden nun mit Balkonen ausgestattet. Die schwimmenden Kreuzfahrtriesen haben mit dem "Traumschiff" nur noch wenig gemeinsam. Sie beherbergen mit mehr als 6.000 Passagieren sechs- bis zehnmal so viele Urlauber wie die Schiffe aus der Fernsehserie. Es sind schwimmende kleine Städte, die immer mehr Luxus und Abwechslung bieten: Golfsimulatoren, Kletterwände, Aqua-Theater, aufwändige Fitnessstudios und Prachtboulevards mit vielen Geschäften. Bis zum Ende des Jahres 2010 werden 42 Schiffe mit mehr als 100.000 Tonnen Tragfähigkeit in Fahrt gekommen sein. Allein 2009/2010 kommen mehr als 80.000 neue Betten auf See hinzu. Die Kosten solcher Schiffe belaufen sich durchschnittlich auf 350 bis 900 Millionen Euro. Die "Oasis of the Seas" mit einer Länge von 360 Metern, Platz für knapp 6.300 Passagiere, und einer Crew von 2.100 Personen aus rund 70 Ländern dürfte das zurzeit größte Exemplar sein.

Konzentration im Kreuzfahrtgeschäft

Drei große Unternehmen kontrollieren drei Viertel des Kreuzfahrtmarktes. Branchenprimus ist die Carnival Gruppe mit 105 Schiffen, die für zehn Reedereien fahren und mehr als 200.000 Betten bieten. Zu dem Konzern zählen nicht nur die gleichnamige Carnival-Reederei, sondern auch so schillernde Namen wie Cunard Line, Aida- oder Costa-Kreuzfahrten. Zweitgrößter Konzern ist Royal Caribbean International mit 46 Schiffen und 103.000 Betten. Dritter sind die Star Cruises aus Malaysia mit 19 Schiffen und 36.000 Betten. Die Großkonzerne verfügen über die größten Schiffe und diese drei Großen stellen mit 345.000 Betten den höchsten Anteil der insgesamt verfügbaren 456.000 Betten auf See. Kleinere Reedereien betreiben weitere 260 Schiffe, die jedoch nur 118.000 Urlaubern Platz bieten.

Die ganz großen schwimmenden Freizeitparks kommen meist nicht in Europa, sondern in der Karibik in Fahrt. Dort kreuzen sie für US-Urlauber, die meist nicht länger als sieben Tage auf See sind. Angesichts der Kürze der Reisen und der immer größeren Schiffe wird es zunehmend schwieriger, geeignete Häfen für die oft dreihundert Meter langen Kolosse zu finden. Viele Häfen in der Karibik stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen, da sie nicht mehr als 20.000 Urlauber an einem Tag ein- und ausschiffen können. So haben sich die großen Reedereien seit 1986 neun Privatinseln in der Karibik gekauft. Mit Tauchen, Wassersport und Grillpartys werden die Urlauber auf den gut bewachten Privatinseln bei Laune gehalten. Die Reedereien freuen sich. Denn alle Extraeinnahmen, die durch die Freizeitaktivitäten erzielt werden, fließen ebenfalls in die Kassen des Konzerns.

Ulrich Delius ist Asienreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker. Seit 35 Jahren verfolgt er aufmerksam die Entwicklung der Kreuzfahrtindustrie und interviewte zahlreiche asiatische Beschäftigte auf Kreuzfahrtschiffen.