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Vietnam: Als Guide auf den Spuren des Krieges


Tho Nguyen Xuan ist ein Opfer des Krieges. Vor 43 Jahren wurde er nahe der Demarkationslinie DMZ zwischen Nord- und Südvietnam geboren. Heute arbeitet er als Reiseführer nicht weit entfernt von seinem Geburtsort, der 1967 von amerikanischen Bomben dem Boden gleichgemacht worden war.

Tho ist von der DMZ-Busreisegesellschaft angestellt. Seine Aufgabe besteht darin, Touristen durch die verwüstete Landschaft zu führen, wo die Bombenkrater noch immer sichtbar sind und Landminen die Besucher dazu zwingen, die deutlich markierten Pfade unter keinen Umständen zu verlassen. Thos Führung beinhaltet jene geographischen Punkte, die durch den Vietnamkrieg traurige Berühmtheit erfahren haben: die hart umkämpften Berge Rockpile und Hamburger Hill und die von den Vietkong angelegten Cu Chi-Tunnel. Diese Touren erfreuen sich wachsender Beliebtheit.

Tho arbeitet seit 1995 in der Tourismusbranche. Damals bekam er eine Stelle im Touristenbüro von Dong Ha. Tho erkannte schnell, dass seine Englischgrundkenntnisse, die er als Kind von den amerikanischen GIs aufgegriffen hat, ein wertvolles Kapital auf dem Arbeitsmarkt darstellen. Mit Abendkursen polierte er sein Englischwissen auf. Heute verdient er 50 Dollar pro Monat. Mit zwei Kindern, so Tho, sei das ein knappes Gehalt. Aber immerhin kann er sich ein schickes Motorrad leisten. Er arbeitet an sechs Tagen in der Woche von 9 bis 17 Uhr. Sein Urlaub umfasst die traditionellen fünf  Tage zum Fest des neuen Mondjahres und andere nationale Feiertage. Sollte er krank werden, kommt Tho in den Genuss einer staatlichen Versicherung. Tho ist zufrieden mit seinem Job, träumt aber von mehr Geld. Der wachsende Zustrom ausländischer Tourismus-Dollars scheint ihm dabei die Verwirklichung seines Traums zu versprechen. Noch sucht er nach dem geeigneten Weg, um diese Quelle anzuzapfen.

Phung Ba Bang ist 21 Jahre alt. Er arbeitet als Kellner und Reiseführer in Sa Pa in Nordvietnam. Bang wurde in einem kleinen nordvietnamesischen Dorf  geboren. Seine Kindheit verbrachte er abwechselnd in der Schule und auf den Reisfeldern, wo seine Eltern zwölf Stunden am Tag schufteten. Für ihn wie für viele seiner Altersgenossen bedeutet sozialer Erfolg, eine Alternative zum bäuerlichen Leben zu finden. Bang hat dieses Ziel durch Schulbildung, einfache Englischkenntnisse und einen Job in der Tourismusbranche erreicht. Sa Pa ist ein altes Gebirgsrefugium, wo bereits die französischen Kolonialisten während der Trockenzeiten vor der unerträglichen Hitze Hanois Zuflucht gesucht hatten. Hier führt Bang seine Gäste durch atemberaubende Landschaftsszenarien und besucht mit ihnen die traditionellen Dörfer der ethnischen Minderheiten, zum Beispiel des Volkes der Schwarzen Hmong.

Wenn Bang nicht gerade kellnert, führt er seine Touristen an das Himmelsdach Indochinas –auf den 3143 Meter hohen Berg Fan Xi Fang mit einer Sicht bis nach China und Laos. Er arbeitet zehn Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche. Aber immerhin kann er jeden Monat ein bis drei Tage frei nehmen und genießt die traditionellen vietnamesischen Feiertage. Wenn Bang krank ist, erhält er kein Geld. Er teilt sein Einkommen von monatlich 40 US-Dollar mit seinem Onkel, in dessen Haus er lebt. Den Rest gibt er fürs Essen und zusammen mit Freunden aus. Zum Sparen bleibt da nicht viel übrig. Aber Bang träumt davon, eines Tages mehr zu verdienen. Vielleicht könnte er als Arzt für reiche Touristen arbeiten, die es nicht mehr bis auf den Berg schaffen.

(3.459 Anschläge, 43 Zeilen, Dezember 2003, Quelle: "Die Welt der Arbeit", Nr. 46, Internationales Arbeitsamt, Genf)