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Verantwortungsvolle Personalpolitik im Tourismus

Drei Fragen an Neill Wilkens, Institut für Menschenrechte und Wirtschaft, Großbritannien


Die Wahrung der Menschenrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist für Tourismusunternehmen eine zentrale Herausforderung. Je mehr die Branche jedoch Arbeitsbereiche auslagert und auf Zeit- und Leiharbeit setzt, desto schwieriger ist es, ausbeuterische Arbeitsbedingungen bis hin zu Menschenhandel und Zwangsarbeit aufzudecken und wirksam zu verhindern. Insbesondere die Hotellerie gilt als risikoreich. Sie bietet zwar eine große Zahl an Arbeitsplätzen, doch die sind nicht selten mit erheblichen Gefahren verbunden. Dies gilt insbesondere für Migrantinnen und Migranten. Wir baten Neill Wilkins vom Institut für Menschenrechte und Wirtschaft (IHRB)in Großbritannien, die größten Probleme aufzuzeigen und wirksame Wege zu beschreiben, wie sich menschenwürdige Arbeit im Tourismus realisieren lässt.

TW: Wie funktioniert Outsourcing im Tourismus und was ist daran problematisch?

Neill Wilkins:Outsourcing wird in vielen Wirtschaftsbereichen weltweit immer üblicher – und in der Tourismuswirtschaft in großem Umfang, sowohl in einzelnen Hotelbetrieben als auch in großen internationalen Hotelketten. Ursprünglich griffen Hotels auf die Mitarbeiter von Zeit- und Leiharbeitsfirmen als „Puffer“ zurück, um den Arbeitskräftebedarf der schwankenden Nachfrage anzupassen.

Heute ist das Outsourcing-Modell, bei dem ganze Betriebsbereiche, wie zum Beispiel das Housekeeping, an Agenturen ausgelagert werden, in vielen Betrieben üblich geworden. Es kann jedoch sowohl für Angestellte als auch für die Hotelunternehmen Herausforderungen mit sich bringen. Eine Agentur schafft Distanz zwischen dem Hotel und seinen Mitarbeitern. Ein direktes Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird durch einen Vertrag zwischen zwei Unternehmen ersetzt.

Im starken Wettbewerb werden Hoteliers zunehmend versuchen, bei ihren Partneragenturen niedrigere Preise herauszuholen. Die Agenturen ihrerseits geben diesen Druck weiter, der sich unweigerlich auf die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter auswirkt. Andererseits gehen auch Hotels große betriebliche und imagebezogene Risiken ein, können mit Kriminalität zu tun haben und rechtliche Probleme bekommen.

TW: Inwiefern sind Migrantinnen und -migranten besonders gefährdet und wie kann eine verantwortungsvolle Personalpolitik die Wahrung ihrer Rechte und ihrer Würde sicherstellen?

Neill Wilkins: Arbeitsmigrantinnen und -migranten sind besonders leicht ausbeuterischen Praktiken ausgesetzt. Viele von ihnen werden aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Kaste diskriminiert. Fehlende Sprachkenntnisse oder fehlendes Wissen um die Rechtslage oder ortsübliche Arbeitsstandards können es ihnen erschweren, ihre Rechte durchzusetzen. Nicht selten ist die Arbeitserlaubnis oder das Visum an ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis gebunden. Auch für Gewerkschaften ist es nicht einfach, Migranten wirksam zu helfen und die Beschäftigten sind womöglich auch von anderen formellen und informellen Unterstützungsnetzwerken isoliert. Oft geschieht ihr Zugang zu Beschäftigung durch bestimmte „Gatekeeper”, die Menschen in solchen Situationen ausnutzen. Das können auch eigene Landsleute sein.

Viele Arbeitsmigranten aus dem globalen Süden werden schon durch problematische Einstellungspraktiken ausgebeutet. Wenn sie für Jobs im Ausland horrende Vermittlungsgebühren zahlen müssen, die sie oft auch noch mit Krediten zu hohen Zinsen finanzieren müssen, kann sie das in einer Art Schuldknechtschaft halten. Andere können ihre Rechte nicht geltend machen, weil ihre Ausweisdokumente oder Löhne einbehalten werden. Deshalb können sie auch nicht anderweitig eine Beschäftigung suchen. Die „Dhaka-Prinzipien“ für das verantwortungsvolle Anwerben und Beschäftigen von Wanderarbeitern geben einen umfassenden Überblick über die Probleme, mit denen Arbeitsmigrantinnen und -migranten zu tun haben. Sie sind ein zentrales Instrument für Unternehmen, um die Ausbeutung von Arbeitskräften zu verhindern und Imageschäden von sich abzuwenden.

TW:Wie lassen sich durch Gesetze wie den britischen „Modern Slavery Act“ die Arbeitsbedingungen im Tourismus wesentlich verbessern?

Neill Wilkins: Der britische „Modern Slavery Act” könnte ein wesentliches Instrument sein, um Ausbeutung zu verhindern. Er bezieht sich ausdrücklich auch auf Dienstleistungsunternehmen und hat deshalb Auswirkungen auf Hotels und viele andere Tourismusunternehmen. Jedes Unternehmen mit einem globalen Jahresumsatz von 36 Millionen britischen Pfund (ca. 50 Millionen Euro), das in Großbritannien tätig ist - selbst wenn es dort nicht seinen Hauptsitz hat - muss jährlich eine von der Geschäftsführung unterschriebene Erklärung darüber abgeben, was es tut, um Zwangsarbeit im Unternehmen zu verhindern. Diese Erklärung muss an prominenter Stelle auf der Firmenwebseite verlinkt sein. Zwar überlässt die britische Regierung es den Unternehmen, selbst zu entscheiden, welche Maßnahmen sie ergreifen wollen und worüber sie berichten wollen. Doch größere Transparenz soll sie dazu bewegen, mehr zu tun, um Ausbeutung zu unterbinden, statt lediglich bestehende Aktivitäten zu dokumentieren.

Eine entscheidende Maßnahme, wie Unternehmen ihr Engagement gegen Ausbeutung unter Beweis stellen können, besteht darin, Anwerbegebühren grundsätzlich zu vermeiden – sowohl innerhalb des Unternehmens als auch bei Zeit- oder Leiharbeit. Die Einführung des „Arbeitgeber zahlt”-Prinzips bedeutet, dass der Arbeitgeber die Vermittlungskosten trägt. Einige globale Konzerne setzen dies bereits um und helfen damit, sowohl eine effektive und professionelle Personalpolitik als auch den Arbeitnehmerschutz sicherzustellen.

Weitere Informationen:

Institut für Menschenrechte und Wirtschaft: www.ihrb.org/our-work/migrant-workers-and-work-with-dignity.html

„The Dhaka Principles for Migration with Dignity”.Grundsätze für das verantwortungsvolle Anwerben und Beschäftigen von Wanderarbeitern. www.dhaka-principles.org/pdf/translations/Dhaka_Principles_German.pdf

(5.831 Zeichen, Dezember 2015, TW 81)