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Unterschiedliche Standards für die "Umwelt-Dinosaurier"

Drei Fragen an Dietmar Oeliger, NABU


Mit ihren enormen Abgasmengen verpesten Kreuzfahrtschiffe die Luft – besonders in den Hafenstädten, die sie anlaufen, aber auch noch in großer Entfernung und auf hoher See. Das Kreuzfahrtranking des Naturschutzbundes Deutschland e.V. (NABU) zeigt, dass die Branche ihrer Umweltverantwortung bislang kaum gerecht wurde. Einzelne Reedereien bereiten sich nun darauf vor, demnächst strengere Vorschriften zu erfüllen – doch die gelten nicht überall. Zu den Gefahren durch Schiffsemissionen und den Aussichten, dass sich die Umweltbilanz der "Dinosaurier" in Zukunft verbessert, befragten wir Dietmar Oeliger, Leiter des Bereichs Verkehrspolitik beim NABU.

TW:Warum sind die Emissionen von Kreuzfahrtschiffen so gefährlich?

Dietmar Oeliger: Kreuzfahrtschiffe stoßen Unmengen an klassischen Luftschadstoffen wie Schwefeldioxid, Stickoxide oder Rußpartikel aus. Dies liegt zum einen am verwendeten Kraftstoff: hochgiftiges Schweröl mit bis zu 3500-mal mehr Schwefelanteil als Lkw-Diesel. Zum anderen fehlt fast allen Kreuzfahrtschiffen ein wirksames Abgassystem. Rußpartikelfilter oder Stickoxidkatalysatoren sind bei Pkw und Lkw längst Standard und können die Luftschadstoffbelastung fast komplett vermeiden. Diese Technik muss zusammen mit einem saubereren Treibstoff schnellstmöglich auch auf den Schiffen zum Einsatz kommen.

Rußpartikel sind verantwortlich für Herz-Lungen-Erkrankungen und laut der Weltgesundheitsorganisation genauso Krebs erregend wie Asbest. Zudem werden sie zunehmend mit Demenz in Verbindung gebracht. Rußpartikel haben einen weiteren Nachteil: Sie sind enorme Klimatreiber. Nach Kohlendioxid tragen sie am meisten zum weltweiten Klimawandel bei, insbesondere in arktischen Gebieten. Der Wind weht Rußpartikel aus Europa, Nordamerika oder Asien bis in die Arktis, wo sie sich auf‘s Eis legen. Die dadurch verfärbten, dunkleren Eisflächen erhitzen sich schneller, weshalb es zu verstärkter Schneeschmelze kommt. Kreuzfahrtschiffe stoßen auch deshalb so viele Schadstoffe aus, weil ihre Motoren im Hafen ununterbrochen weiterlaufen, um die Stromversorgung für den Hotelbetrieb an Bord aufrecht zu erhalten.

TW: Ab 2015 sollen die zulässigen Abgaswerte von Kreuzfahrtschiffen in der Nord- und Ostsee verschärft werden. Doch wie sieht es in anderen Teilen der Welt aus – insbesondere in Entwicklungsländern?

Dietmar Oeliger: Ab 2015 werden die Grenzwerte für Schwefeldioxid in Nord- und Ostsee zwar verschärft, sind dann aber immer noch 100fach schwächer als die Grenzwerte bei Lkw. Auch in einem Streifen um die Küste Nordamerikas gibt es spezielle 'Umweltzonen auf See'. Dort müssen besondere Anforderungen an das Abgas erfüllt werden. Doch aus reiner Profitgier stellen die Reedereien auf dem Weg von den USA in die Karibik oder von Europa in die afrikanischen Gebiete sofort wieder auf das billigere Schweröl um. Überall dort, wo internationale Regelungen den Gebrauch von giftigem Schweröl nicht verbieten, wird es von den Kreuzfahrtreedern auch eingesetzt. Oder anders gesagt: Die Umwelt und die Gesundheit der Menschen in Entwicklungsländern sind den Kreuzfahrtreedereien noch viel weniger Wert, als die der Menschen hierzulande. Das ist makaber, aber leider traurige Wahrheit. Auch unter Deck arbeiten auf den meisten Kreuzfahrtschiffen Menschen aus Entwicklungsländern, wie z.B. den Philippinen. Es gibt Studien, die belegen, dass diese Menschen höhere Krebsraten haben, weil sie ständig Schweröl-Dämpfen ausgesetzt sind. Dies ist ein Skandal, der den Gästen an Deck meist vollkommen unbekannt ist.

TW:Was tut die internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO), um die Emissionen von Kreuzfahrtschiffen auf ein umwelt- und gesundheitsverträgliches Maß zu reduzieren – und was müsste getan werden?

Dietmar Oeliger: Die IMO hat beschlossen, die Grenzwerte für gewisse Luftschadstoffe ab 2020 zu reduzieren. Man muss jedoch wissen, dass diese Grenzwerte immer noch ungleich lascher sind als jene an Land. Eine Fabrik, die derart hohe Abgasmengen ausstößt, müsste an Land längst geschlossen werden. Leider ist der Fortschritt bei der IMO eine Schnecke. Dies liegt daran, dass dort auch jene Länder mitbestimmen, die zwar eine große Schiffsflotte geflaggt haben, aber auf hohe Umweltstandards wenig Wert legen. Liberia, Panama oder auch Griechenland haben so in den letzten Jahren immer wieder gute Ansätze zur Verringerung der Umweltzerstörung auf See torpediert. Der Prozess muss dennoch auf Ebene der IMO fortgesetzt werden. Alleine darauf setzen darf man jedoch nicht. Europa muss vor der eigenen Tür vorweg marschieren und z.B. auch das Mittelmeer zu einer 'Umweltzone auf See' erklären. Schließlich sind auch die Hafenstädte gefordert. Mit unterschiedlich gestaffelten Hafenentgelten können sie dreckige Schiffe mit hohen Gebühren belegen und saubere Schiffe mit Anreizen belohnen.

Weitere Informationen: NABU-Kampagne für eine saubere Kreuzschifffahrt: www.nabu.de/themen/verkehr/schifffahrt/mirstinkts mit Kreuzfahrtranking 2014 www.nabu.de/themen/verkehr/schifffahrt/mirstinkts/17005.html

(4.806 Zeichen, September 2014, TW 76)