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"Tsunami-Urlaub" unter Palmen

Klagen in Sri Lanka über ausländische Hilfseinsätze


115 km lang zieht sich die Galle Road von Sri Lankas Hauptstadt Colombo in Richtung Süden zur ehemals holländischen Festungsstadt Galle. Bis zum 26. Dezember 2004 war die Küstenstraße gesäumt von dichten Palmenhainen, Villen im Kolonialstil und kleinen Fischerhütten. Ein Bild, das genau unserem romantischen Klischee des Tropenparadieses entsprach. Heute bietet sich - je weiter man nach Süden fährt - ein um so desolateres Bild: Steindämme, die willkürlich nach der Katastrophe ins Meer gebaut wurden. "Sie werden auch noch den Rest der Korallen vor Hikkaduwa zerstören", meint ein Biologe. "Von Nachhaltigkeit keine Spur". Ferner umgestürzte Palmen, Fragmente von Zimmerwänden, Türme aus zerbrochenen Möbeln und Treibgut, Zeltstädte. Verloren sitzt Jayasiri da Silva auf einem Plastikstuhl - dem einzigen Stück, das heil geblieben ist. Der 44-jährige hat vier Kinder, darunter Drillinge. "Das war mal mein Haus", sagt der Fischer und deutet auf die Mauerreste. Jetzt haben sie die Familie im Zeltcamp dort drüben untergebracht. Eine neue Bleibe hat man ihm und seiner Familie versprochen, aber nichts geschieht. Heute nicht und von morgen keine Spur.

Ohnehin sind die Fischer am stärksten betroffen. Konnten sie bei Trincomalee an der Ostküste vorher 100 kg pro Tag fangen, kommen sie jetzt nur noch auf 10 bis 15 kg. "Der Tsunami hat irgendetwas im Meer verändert", sagen die Fischer. "Wir haben fast alle Boote und Netze verloren, jetzt müssen wir uns die wenigen teilen. Noch immer haben wir keine neuen Boote bekommen."

Als ob es gestern war, so sieht es vielerorts ein halbes Jahr nach den Killerwellen immer noch aus. Trotz der vielen internationalen Hilfsorganisationen - auf 6.000 werden sie insgesamt geschätzt - oder vielleicht sogar deshalb. Sie meinten es gut und kamen in Scharen, um zu helfen. "Den kleinen geht inzwischen das Geld aus und die großen NGOs (Non-Governmental Organisations) haben es versäumt, gleich von Anfang an eine Koordinationsstelle einzurichten", klagt ein deutscher Beobachter. "Es mangelt einfach an Organisation und Durchblick. Niemand weiß, warum einige hier sind und was sie tun. Bei der Einreise wurde meist die Registrierung versäumt. Andererseits passiert es bei der Aufnahme in die Flüchtlingslager immer wieder, dass sich örtliche Schmarotzer darunter mischen und den eigentlich Betroffenen Essen und Kleidung wegnehmen. Im schlimmsten Falle haben Drogenabhängige die Lager ausgeraubt und die Mädchen vergewaltigt."

"Manche Ausländer führen sich auf wie die Kings", moniert ein Hotelangestellter in Galle. "Am Wochenende hängen sie in den teuersten Hotels rum, trinken Champagner und führen uns ihren Wohlstand vor." Denn die meisten Mitarbeiter erhalten mit Auslandszulage soviel Geld, wie sie es in Deutschland nie verdienen würden - bei absoluten Niedrigkosten vor Ort. "Oder sie heizen mit teuren Geländewagen durch die Straßen - full speed, versteht sich, obwohl gar keine Notwendigkeit dazu besteht", berichtet der Mann.

Dass viele der Spendengelder in Verwaltung und Organisation fließen, ist ein weiteres Ärgernis. Eine freiwillige Helferin aus München berichtet: "Ein junger Mann, der in Deutschland Arbeitslosengeld bezieht, kam mit einem Verein nach Sri Lanka, der in Balapitya ein Kinderheim bauen wollte. Da es in dem Ort gar nicht so viele Waisenkinder gibt, lebten die Mitarbeiter stattdessen in Saus und Braus, kauften Mountainbikes und verließen die Insel nach einer Weile wieder. Den Arbeitslosen ließen sie zurück. Den Heimflug muss er jetzt wohl aus eigener Tasche zahlen. Immerhin hat er einen fröhlichen Urlaub unter Palmen auf Kosten der Steuerzahler verbracht."

Vielleicht sind es Ausnahmen. Dazu gehört sicher auch das Erlebnis, von dem die Stammgäste der "Perle im Indischen Ozean" - Eleonore und Herbert Pfeifer aus Weinheim - berichten. Nach der Katastrophe sammelten sie als Privatinitiative "Direkthilfe Sri Lanka" Spendengelder für das "Tissa-Schulzentrum" in Kalutara Nord, wo 250 der 2.800 Schüler vom Tsunami betroffen waren. Auch eine UNICEF-Delegation besichtigte die Schule und versprach Unterstützung. "Zwei Wochen später traf tatsächlich per Luftfracht ein Pappkarton aus Singapur ein" berichten die Deutschen. "Er enthielt 38 Plastiktüten mit Infomaterial über UNICEF, dazu 38 Schreibblöcke mit Bleistift. Und das für 250 Kinder!"

Thomas Stein, ein Hamburger Arzt, der in Peraliya mit Unterstützung der Initiative "Hamburg hilft" eine medizinische Station mit Kinderhaus eingerichtet hat, weiß von einer wachsenden Zahl alkohol- und selbstmordgefährdeter Menschen, von Kindern, die mit dem Trauma nicht fertig werden und keine andere Hilfe erfahren. Da die kleine Station den Anforderungen nicht mehr gerecht wird, plant Dr. Stein ein größeres Zentrum: "Weit weg von der ursprünglichen Idee, sie dicht bei dem verunglückten Zug zu bauen." Denn der makabre Ort zieht inzwischen zahlreiche Schaulustige an, mit Eisverkäufern und Souvenirjägern auf Teilen des Zuges. (Vgl. TW 38, "Katastrophen-Tourismus in Sri Lanka")

Die Auflage, innerhalb des 100 Meter breiten Sperrgürtels am Strand keine Neubauten zu errichten, trifft vor allem die Fischer hart. Das australische Architektenehepaar Bruce und Lorraine Fell-Smith vom "Talpe Rehabilitation and Development Trust" leitet die Fischer im fast fertiggestellten Dorfprojekt zum Bau ihrer eigenen Häuser an, Hilfe zur Selbsthilfe. "Wir hoffen, dass sie neue handwerkliche Fähigkeiten erlernen, so dass man sie in Zukunft im Baugewerbe anstellen kann. Die meisten haben jetzt ohnehin Angst, fischen zu gehen." Ein Mönch trifft hier die Entscheidung, wer in die Häuser nach landestypischem Baustil einziehen darf.

Ob das Zusammenwürfeln verschiedener Religionen hier wie in anderen neuen Gemeinschaftsdörfern für Zündstoff sorgt, wird allerdings erst die Zukunft zeigen. Kostete doch bereits das Aufstellen einer kaum einen Meter hohen Buddhastatue am Clocktower in Trincomalee den Vizebürgermeister das Leben. In der Stadt leben überwiegend Hindus.

Mit insgesamt 1,25 Millionen Euro unterstützt die TUI den Bau von drei großen Dörfern. Das wichtigste Projekt soll bei Tangalle entstehen, vier Kilometer von der Südwestküste entfernt. Partner ist das Kinderhilfswerk "Plan International". Gebaut werden 200 Wohnhäuser und diverse Sozialeinrichtungen wie Schule, Spielplatz und Krankenhaus.

Das Grundstück wurde von der Regierung zugewiesen, Baubeginn soll im August sein, die Fertigstellung im Frühjahr 2006. "Es werden viel schönere Häuser als die Betroffenen sie jemals hatten", sagt Maggie Bastidas von Plan International. Die Häuser sind in drei Kategorien eingeteilt und werden zwischen Fischern und betroffenen Regierungsbediensteten aufgeteilt. Allerdings behält sich die Gemeinde vor, wer - gegen Zuzahlung per Kredit - den Zuschlag für die nächst höhere Kategorie erhält.

Warum viele ehrenamtliche Helfer trotz der Schwierigkeiten weiterhin auf Sri Lanka bleiben, erklärt Dr. Stein: "Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul besuchte diese Region im April. Wir haben ihr die Schwierigkeit der Arbeit vor Ort erläutert, und letztendlich versprach sie den Kindern von Peralyia vor den Kameras der Welt eine bessere Zukunft. Die Menschen hier fragen mich nun natürlich, was Deutschland weiterhin macht. Und wenn wir jetzt die Zelte abbrechen oder genauso wenig tun würden wie hier von der Regierung vor Ort sichtbar ist, dann verspielen wir auch unsere Reputation als Land. Wir haben diesen Menschen etwas versprochen und stehen somit in der Verantwortung."

(7.495 Anschläge, 89 Zeilen, Juli 2005)

Websites zu Tsunami und Tourismus:

  • www.world-tourism.org - UN-Welttourismusorganisation (WTO)

  • www.reliefweb.int - UN-unterstützte Nachrichten über Hilfsmaßnahmen,

  • www.tourismpartners.org/relief/index.htm, www.pata.org - Pata Asia Travel Association, www.bouncebacksrilanka.org, www.visitmaldives.com.mv.mu, Thailand:

  • www.tatnews.org, www.phuket.com, www.sawadee.com/tsunami/hotels.htm,

    (Quelle: WTO), s. auch www.asienhaus.de