Blog

Tourismus öffnet Türen für Frauen?

Drei Fragen an Magline Peter, Präsidentin des Kerala Fisherwomen Forums


"Tourismus öffnet Türen für Frauen" – der Slogan des diesjährigen Welttourismustages am 27. September – kommt bei zivilgesellschaftlich organisierten Frauen in Indien nicht gut an. Umso engagierter greifen sie ihn auf. An den Aktionen ist auch Magline Peter maßgeblich beteiligt, eine der führenden Fischereigewerkschaftlerinnen Indiens, die 2005 als eine von "1000 FriedensFrauen Weltweit" für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden war.

In einem offenen Brief* fordert sie die indische Regierung auf, den Welttourismustag nicht zu feiern, sondern die Auswirkungen des Tourismus auf Frauen genauer in den Blick zu nehmen – insbesondere auf benachteiligte Frauen wie Fischerfrauen, Adivasis („Ureinwohnerinnen“) und Dalits („Unberührbare“). Im Vorfeld der im südindischen Bundesstaat Kerala geplanten Veranstaltungen sprachen wir mit Magline Peter über die offenen und geschlossenen Türen im Tourismus, insbesondere für Frauen aus den Fischerdörfern, die vom Tourismus besonders betroffen sind.

TW: Wo und wie öffnet der Tourismus in Indien Türen für Frauen?

Magline Peter: Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber in Indien gibt es kaum Chancen, dass sich durch den Tourismus viele Türen für Frauen öffnen werden, und für die marginalisierten Frauen vermutlich keine einzige. In Kerala zum Beispiel liegt der Anteil von Frauen im Tourismus bei weniger als 20 Prozent. Aus benachteiligten Gemeinschaften, z.B. aus unseren Fischerdörfern, sind es noch weniger, und in gehobenen Positionen findet sich vermutlich gar keine Frau aus marginalisierten Bevölkerungsgruppen. Der Tourismus wird den Menschen vor Ort nicht helfen, denn er trägt zum Überleben der Schwächsten in der Gesellschaft nichts bei. Im Gegenteil, er unterdrückt sie. Keine Regierung will sich für die Interessen der Fischerfrauen einsetzen. Ich denke die Frauen in unseren Dörfern werden im gegenwärtigen Tourismus auch gar keine Rolle spielen wollen, denn dieser Tourismus nimmt uns unsere Lebensgrundlage. Und wir wollen nicht an etwas beteiligt sein, was uns oder anderen gesellschaftlich benachteiligten Frauen schadet.

TW: Welche Türen öffnet der Tourismus, wenn überhaupt, und was finden wir dahinter?

Magline Peter: Die meisten Frauen, die in Indien im Tourismus arbeiten, verrichten niedrige Jobs wie putzen, Müll entsorgen oder Wäsche waschen, oder sie verkaufen Obst am Strand. In anderen Sektoren ist es ähnlich. Einige Türen, die der Tourismus geöffnet hat, sind die der Massagesalons – doch nicht für die Frauen, sondern für die Touristen, die ihr Vergnügen suchen. Wenn diese Massagesalons den Touristen gute Dienstleistungen anbieten, ohne dabei auch unsere Frauen anzubieten, dann ist das okay.

TW: Wo eine Tür sich schließt, öffnet sich eine andere, lautet ein Sprichwort. Wenn sich durch den Tourismus Türen für Frauen öffnen, heißt das auch, dass andere sich geschlossen haben könnten?

Magline Peter: Wo eine Tür sich für uns öffnen mag, gibt es so viele andere, die der Tourismus bereits zugeschlagen hat. An einigen Stellen unserer eigenen Küste dürfen wir nicht mehr fischen. Nachdem der Tourismus gekommen ist, haben wir an vielen Stellen keinen Zugang mehr zu unserem Strand. Private Unternehmen haben sich Gebiete angeeignet, die wir für die Fischerei brauchen. Es ist eine Grundstücks-Mafia entstanden, die versucht, die Menschen in den Fischerdörfern zu überreden, ihr Land zu verkaufen. Nach dem Tsunami sind in Südindien viele Fischerfamilien von der Küste verdrängt worden. Auch in nördlicheren indischen Bundesstaaten wie Maharashtra, Gujarat und Orissa hat an den Küsten Ähnliches stattgefunden. Auch der Tourismus hat dazu beigetragen. Viele Frauen haben dadurch ihre Arbeit verloren. Die drehte sich ausschließlich um die Fischerei, etwas anderes kannten sie ja nicht – und etwas anderes brauchen sie auch nicht.

Wir haben Frauen getroffen, die ihre Lebensgrundlage, ihre traditionelle Arbeit, ihre natürlichen Ressourcen verloren haben. In den tourismuspolitischen Konzepten steht nichts über die Rehabilitation der Frauen, die durch den Tourismus alles verloren haben – ihr Land, ihre Kultur, ihre Emotionen, alles. Der Slogan ?Tourismus öffnet Türen für Frauen? ist für uns nur eine Wasserlinie. Wir glauben nicht daran.

Englische Übersetzung aus dem Malayalam: Maya S.P., deutsche Übersetzung aus dem Englischen und redaktionelle Bearbeitung: Christina Kamp

*Der offene Brief von Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschafts- und, Selbsthilfe­gruppen an die indische Tourismusministerin Ambika Soni kann als Dokument unter http://www.tourism-watch.de/dt/docs/ abgerufen werden.

(4362 Zeichen, 59 Zeilen, September 2007)