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Sonne und Sand, Rum und Reggae

Die Herausforderung des Tourismus für Kirche und Gesellschaft in der Karibik


Die karibische Volkswirtschaft war historisch so gestaltet, dass sie den Prioritäten der Kolonialmächte entsprach. Auch der Tourismus dient den Interessen des Nordens. Der Tourismus rund um die berüchtigten vier “s” – "sun, sea, sand, sex" – hat zu einem zerstörerischen Verhalten geführt, das Fragen der Menschenwürde aufwirft, die die Kirchen zu Reaktionen herausfordern.

Die Karibik ist ein Schmelztiegel von Kulturen aus Europa, Afrika, Asien, Nord- und Südamerika. Die meisten der Inseln wurden absichtlich auf Monokulturen wie Tabak, Zucker und Bananen aufgebaut, die die Menschen in Armut und in Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten hielten. Die Kolonialwirtschaft wurde durch das kapitalistische Wirtschaftsparadigma ersetzt, nach dem die Gewinne über allem anderen standen.

Mit der Wiederbelebung der Wirtschaft in Europa und den USA nach dem zweiten Weltkrieg wurde durch den Massentourismus eine neue wirtschaftliche Kolonialisierung der Karibik eingeleitet. Die technologischen Veränderungen im Verkehrswesen brachten eine große Anzahl von Flugreisenden und Kreuzfahrttouristen auf die Inseln. Die Inseln hatten kaum eine Wahl, als dieses Entwicklungsmodell zu übernehmen. Der Tourismus wurde zum einzigen gangbaren Weg, um ihre Volkswirtschaften über Wasser zu halten – doch zu einem hohen Preis.

Auswirkungen des Tourismus in der Karibik

Grundstücke entlang der Küsten und auf kleineren Inseln wurden an die Höchstbietenden, meist ausländische Wirtschaftseliten, verkauft. Die Einheimischen verloren ihre Rechte an den langen Stränden, denn die zahlenden Touristen hatten nun die exklusiven Nutzungsrechte. Durch die zu enge Bebauung mit Hotels auf kleinen Grundstücken am Meer entstanden Überbauungsprobleme entlang der Küste. Das Hauptargument, mit dem gerechtfertigt wird, dass die Tourismuswirtschaft mit bedeutenden Steuererleichterungen Privilegien genießt, ist der hohe volkswirtschaftliche Beitrag, den der Sektor durch seine Beschäftigungswirkungen leistet. Doch die hohe Abhängigkeit von ausländischem Kapital führt dazu, dass auch der Kapitalabfluss sehr hoch ist. Sehr viel Geld, das im Land ausgegeben wird, fließt direkt wieder ab – in Form von Gewinnen oder zum Import ausländischer Produkte für den Bedarf der Tourismuswirtschaft.

Die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Tourismuswirtschaft haben einige Probleme mit sich gebracht, die angegangen werden müssen. Touristen reisen für gewöhnlich mitsamt ihrer Kultur. Dies hat zu einem Verlust an kultureller Identität geführt. Die traurige Realität ist, dass da, wo man erwartet, dass die Einheimischen mit dem Verkauf von Produkten an die Touristen viel verdienen würden, die schönen Handwerksprodukte oder "Jamaica"-T-Shirts bei genauerem Hinsehen meist “Made in China” sind.

Schließlich haben die kleinen Inselstaaten nicht die Ressourcen, die Gewässer zu patrouillieren, die von den Kreuzfahrtschiffen befahren werden. Das kann dazu führen, dass Abfälle illegal im Meer entsorgt werden, ohne dass jemand dafür zur Verantwortung gezogen wird.

Die Rolle der Kirche

Seit den Anfängen der touristischen Entwicklung waren die moralischen Verwerfungen durch die Tourismuswirtschaft das Hauptanliegen der Kirchen. Der freie Lebensstil der Touristen im Zusammenhang mit ihrer freizügigen Bekleidung, dem Rauchen von Marihuana, sexueller Freiheit, Hedonismus und Spielcasinos brachte die Kirchen dazu, sich bei der Regierung für Maßnahmen einzusetzen, um die Einheimischen vor importierten Lastern zu schützen. Sie sahen, dass die gesellschaftlichen Kosten des Tourismus höher waren als der Nutzen.

Die öko-theologische Reorientierung beinhaltete dann eine Verlagerung von der anthropozentrischen Vorherrschaft über die Schöpfung hin zu einem neuen Gleichgewicht, das auch alle anderen Lebensformen berücksichtigt.

Schutz des Kulturerbes

Eine weitere wichtige Rolle der Kirche und der Bildungsinstitutionen besteht darin, die Kultur und ihr Erbe aktiv zu vertreten. Viele der Kirchen, die mit der Missionszeit des 19. und 20. Jahrhunderts in Zusammenhang stehen, bewahren ein unersetzliches Erbe aus einer vergangenen Zeit. In vielen karibischen Staaten ist die Kirche die einzige respektierte Institution, die auf Entscheidungen der Regierung und der Wirtschaft zur Bebauung historischer Stätten Einfluss nehmen kann. Unter dem starken Druck auf Regierungen, Arbeitsplätze zu schaffen, werden manchmal im Namen des so genannten wirtschaftlichen Fortschritts historische Stätten geopfert.

Förderung nachhaltiger Tourismusentwicklung

Die karibischen Kirchen sind auf lokaler Ebene wichtige Institutionen. Lange bevor Nichtregierungsorganisationen populär wurden, um das öffentliche Bewusstsein zu schärfen und sich für Umwelt- und Gerechtigkeitsanliegen einzusetzen, diente die Kirche als alternative Stimme, die die Mächtigen in Politik und Wirtschaft zur Rechenschaft zog. Heutzutage hat sich der Einfluss der Kirche in der Gesellschaft meist vom Zentrum in Randbereiche verlagert. Deshalb müssen neue Methoden der Solidarität und Partnerschaft mit den Opfern unkontrollierter, den Massentourismus fördernder politischer und wirtschaftlicher Interessen entwickelt werden, um eine nachhaltige Tourismusentwicklung zu fördern.

Die Rolle der Kirche besteht in einer kompromisslosen Stimme für die Menschenwürde und den Respekt für die gesamte Schöpfung und darin, alle Akteure in der Tourismuswirtschaft zur Rechenschaft zu ziehen. Die Kirchen und alle anderen religiösen Gemeinschaften in der Karibik sollten aktiv an der Gestaltung der Prinzipien für das Tourismusmanagement in der Region beteiligt sein. Die Kirche muss in Partnerschaft mit höheren theologischen Bildungsinstitutionen die Menschen mit den Fähigkeiten ausstatten, die trügerischen Optionen zu kritisieren, die durch die neo-liberale Wirtschaftsordnung angeboten werden, die die Gier in der Tourismuswirtschaft anstachelt.

Prof. Dr. Roderick Hewitt stammt aus Jamaika und ist Professor für systematische Theologie am Institut für Religion, Philosophie und Klassik an der Universität von Kwa Zulu Natal, Südafrika.

Dieser Artikel ist eine gekürzte, bearbeitete Version von "Sun, Sand, Rum, Reggae. The Challenge of Tourism for Church and Society in the Caribbean" von Roderick Hewitt, erschienen in "Deconstructing Tourism: Who Benefits? A Theological Reading from the Global South". Redaktion: Caesar D’Mello, Wati Longchar, Philip Mathew. Herausgegeben vom Programme for Theology and Cultures in Asia (Tainan) und SCEPTRE (Kolkata), 2014. Bezug: wlongchar@gmail.com

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(5.860 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)