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Palästina: "Instrument der Ungerechtigkeit"

Fairer Tourismus in Palästina gefordert


Einerseits ist der Tourismus nach Palästina ein ganz schwaches Pflänzlein. Andererseits verbinden zahlreiche Organisationen, Initiativen, Gruppen, Familien und Einzelpersonen in den von Israel besetzten Gebieten des sogenannten Heiligen Landes große Erwartungen mit der Reiselust. Sie wünschen sich Begegnung, Austausch, Dialog und solidarische Anteilnahme.

Die Palästinenser hoffen auf Gäste, "die nicht nur historische und religiöse Plätze, sondern ebenso die Menschen in den besetzten Gebieten besuchen möchten, die tagtäglich mit einer äußerst schwierigen politischen und sozialen Realität zu kämpfen haben",so Ranjan Solomon von der "Ecumencial Coalition on Tourism" (ECOT), Hongkong.

ECOT hatte im Oktober zusammen mit der palästinensischen "Alternativ Tourism Group" (ATG) und der libanesischen Nichtregierungsorganisation "Golan for Development" (GFD),zu einem interkirchlichenWorkshop zum "Tourismus in den besetzten Gebieten" nach Alexandria (Ägypten) eingeladen. Dabei stand das Verständnis für einen anderen Tourismus, einen "Justice Tourism", im Mittelpunkt. Gemeint ist ein gerechter Tourismus, bei dem die touristischen Möglichkeiten sensibel und so genutzt werden, dass möglichst viele gleichberechtigt profitieren können.

Nach dem Konzept der"Alternativ Tourism Group" stehen nicht die Sehenswürdigkeiten ("tote Steine"), sondern die lebenden Steine, die Menschen, im Mittelpunkt. Es setzt auf die Kraft der menschlichen Begegnung und ist vom Wunsch auf Frieden, Dialog, Solidarität und Verständigung geprägt. "Justice Tourism" setzt die sensible Aufgeschlossenheit der Reisenden voraus. Vor dem Hintergrund, dass der Nah-Ost-Tourismus, insbesondere nach Israel und Palästina, seine größten Besucherpotenziale im Bereich der Kirchen und kirchennahen Reiseveranstaltern aufweist, forderten die Teilnehmenden aus 14 Ländern Europas, des Nahen Ostens und aus Asien-Pazifik eine Umkehr im "Heilig-Land-Tourismus", eine gerechtere Verteilung der touristischen Einnahmen. Rami Kassis, Direktor von ATG: "Der Tourismus nach Palästina und Israel ist einer der wichtigsten Sektoren, mit dem jährlich rund drei Milliarden Dollar erwirtschaftet werden. Die Tatsache, dass davon 97 Prozent nach Israel und nur drei Prozent nach Palästina gehen, zeigt die große Kluft."

Er bezeichnete es als eine "fortwährende Form der Ausbeutung", wie Israel das historische, kulturelle und religiöse Erbe Palästinas vermarkte. Reisegruppen würden grundsätzlich darauf orientiert, sich in Israel zu verpflegen und auch dort zu übernachten. Beherbergungsbetriebe, Souvenirshops und Restaurants in Palästina hätten kaum eine Chance, am touristischen Geschäft teilzuhaben.

Die Monopolstellung Israels im Tourismus führe auch dazu, dass ausschließlich israelische Reiseleiter in Palästina zum Einsatz kämen. Neben den dadurch fehlenden Einkommensmöglichkeiten beispielsweise für die Reiseleiter in Bethlehem würde denBesuchern so systematisch eine palästinensischeSichtweise auf Geschichte und Gegenwart der Region vorenthalten. "Diese Art von Tourismus ist zu einem weiteren Instrument der Ungerechtigkeit geworden", so Rami Kassis.

"In unserer Arbeit in und mit den Kirchen, in religiösen Einrichtungen und sozialen Bewegungen werden wir uns dafür einsetzen, das touristische Monopol in der Region zu überwinden, um eine faire Beteiligung Palästinas im Tourismus zu erreichen", formulierten die Teilnehmenden in ihrer Schlusserklärung. Der gesamte Wortlaut kann der Website entnommen werden:

(www.ecotonline.org/Pages/downloads/ joint%20statement%20_alexandria.pdf)

Die "Alternative Tourism Group" gab 2003 einen Reiseführer aus palästinensischer Sicht heraus: Palestine & Palestinians, 400 S., Bezug: www.atg.ps

Frühere Initiativen für eine gleichberechtigte Beteiligung Palästinas und der von Israel besetzten Gebiete am "Heilig-Land-Tourismus" liegen schon wieder einige Jahre zurück. Insbesondere die Reformierte Kirche in der Schweiz hatte gemeinsam mit dem Baseler "Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung" durch die Broschüre "Palästina/Israel: Fair reisen!" im Vorfeld zum "Heilig Jahr 2000" wegweisende Impulse gesetzt. Der Beginn der zweiten Intifada beendete zunächst die tourismus- und friedenspolitischen Hoffnungen, die daraus folgen sollten.(Vgl. TW 17: www.tourism-watch.de/dt/17dt/17.palaestina/)

(4.103 Anschläge, 54 Zeilen, Dezember 2005)