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Nachhaltige Tourismusinitiativen in Sri Lanka

Zwischen Wunschdenken und Realität


In ihrer Werbung versucht die sri-lankische Tourismusindustrie, ihre Insel möglichst positiv darzustellen und die Besucherströme trotz des Wiederaufflammens des Kon­fliktes zu steigern. Gerade vor dem bedeutenden Wintergeschäft von Dezember bis April grassiert die Angst vor Einnahmeeinbußen.

Die Sicherheitslage wird dabei oftmals nicht oder nur unzureichend zur Sprache ge­bracht, auch wenn die jüngsten Anschläge in Habarana und Galle zeigen, dass sich der Konflikt nicht nur auf den touristisch wenig erschlossenen Norden und Osten des Landes beschränkt. Zwar wurde in der nun 23 Jahre währenden Auseinandersetzung noch kein Zwischenfall bekannt, bei dem Touristen direkt betroffen waren. Eine Gefahr für Besucher kann aber nicht generell ausgeschlossen werden. Daher haben einige namhafte Reiseveranstalter ihre Programme eingeschränkt oder Sri Lanka vorläufig vollständig aus ihrem Programm genommen.

Aufgrund der gegenwärtigen Sicherheitslage finden sich kaum neue Investoren, und die meisten Geberländer halten sich mit finanzieller Unterstützung zurück. Zwei bei­spielhafte Ausnahmen bilden Norwegen und Japan, die sich der Zukunft Sri Lankas verpflichtet fühlen und diplomatische und finanzielle Anstrengungen unternehmen.

Der Wiederaufbau nach dem Tsunami verlief nur teilweise zufrieden stellend. In den touristischen Gebieten, die sich vorwiegend auf den Süden und Südwesten des Landes sowie das Landesinnere konzentrieren, wurde vor allem in die touristische Infrastruktur investiert und auch viel erreicht. Inwieweit dies allerdings der lokalen Bevölkerung zugute kommt, ist fraglich, wird doch vor allem in Hotels und Ressorts gehobener Preisklassen investiert. Die Entwicklung wird auch dadurch gehemmt, dass die Regierung nur ein sehr begrenztes Interesse an nachhaltigen Initiativen hat und mit Blick auf höhere Deviseneinnahmen und Steuern vor allem den Massen- und „High-End“-Tourismus in den als sicher geltenden Gebieten forciert. *

Nachhaltige Konzepte sind nach wie vor rar gesät. Lediglich Organisationen wie Sewalanka oder Sarvodaya verfolgen hier einige gute Ansätze. Diese konzentrieren sich auf die hauptsächlich von Singhalesen bewohnten Gebiete. Ein viel versprechen­des Konzept wurde von der Nichtregierungsorganisation Consortium of Integrated Rehabilitation Organizations (CIRO) entwickelt. Danach soll nicht nur in bekannten Destinationen, sondern verstärkt auch in bisher vernachlässigten Gebieten wie im Osten und auf der Halbinsel Jaffna „community based tourism“ etabliert werden. Ein Großteil der Einheimischen dort hatte bislang kaum Kontakt mit ausländischen Besuchern, und oft ist das Bild über Touristen mit negativen Vorstellungen behaftet.

Ein Mitarbeiter von CIRO schildert seine Erwartungen an nachhaltige Tourismusformen in der Region: „Wenn ausländische Besucher hautnah mit den Menschen zusammen­leben, bekommen sie ein besseres Verständnis von unserer Kultur und Geschichte, der Tradition und der kulinarischen Vielfalt. Diese Erfahrung könnte ihnen kein kommer­zielles Hotel und kein Reiseleiter aus der Hauptstadt so vermitteln.“ Die gegenwärtige Sicherheitslage setzt solchen Projekten allerdings Grenzen.

Den potenziellen Nutzen für die Bevölkerung fasst ein Fischer zusammen, der mit sei­ner Familie in der Region um Batticaloa lebt und an dem Projekt beteiligt sein möchte: „Es wäre eine Möglichkeit für einfache Leute wie uns, etwas Geld dazu zu verdienen. Und für die Menschen in Sri Lanka wäre es eine Chance, zusammen zu arbeiten und die Gräben zwischen Muslimen, Tamilen und Singhalesen schrittweise zu überwinden.“

 

Politik, ethnische Zugehörigkeit und Religion in Sri Lanka

Die Berichte über die Auseinandersetzungen in Sri Lanka behandeln meist den bewaffneten Konflikt zwischen den Regierungstruppen und der tamilischen Widerstandsbewegung Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE). Die Hintergründe sind jedoch komplexer.

Die Abgrenzungen innerhalb der Gesellschaft verlaufen entlang unterschiedlicher politisch, ethnisch oder religiös bestimmter Trennlinien. Der größte Teil der Bevölkerung Sri Lankas sind buddhistische Singha­lesen. Die Tamilen (meist Hindus) sind entweder „Sri Lanka-Tamilen“, die seit vielen Jahrhunderten vor allem im Norden und Osten des Landes leben, oder indische Tamilen, die von den Kolonialmächten aus Südindien ins Land geholt wurden, vor allem als Arbeitskräfte für die Plantagen im Hochland. Sowohl unter Singhalesen als auch unter Tamilen gibt es muslimische Gemeinschaften.

Nach mehreren Bombenattentaten der LTTE auf Moscheen Anfang der 1990er Jahre und Vertreibungen von Muslimen vor allem aus Jaffna veränderte sich die einst heterogene Struktur vieler Dörfer. Muslimi­sche Tamilen bezeichneten sich fortan als eigene Gemeinschaft der Muslime. Heute finden sich im Osten viele Gemeinden, die einen rein muslimischen oder hinduistischen Charakter aufweisen. Die Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften haben sich vielerorts verschärft.

 

David Schmid studiert Freizeit- und Tourismusgeographie an der Universität Trier und hat von September bis November 2006 in Sri Lanka recherchiert.

*Hinweis: Unter dem Titel „'Buchen hilft!': Marketing statt Nachhaltigkeit für den Tourismus in Südasien“ liegt eine neue Untersuchung zum Wiederaufbau des Tourismus nach dem Tsunami von EED Tourism Watch und der Ecumenical Coalition on Tourism (ECOT) vor, die unter folgendem Link abgerufen werden kann: www.tourism-watch.de/fix/files/Hinweis%20Buchen%20hilft.pdf

(5.082 Anschläge, 64 Zeilen, Dezember 2006)