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Mit Urmilla Singh auf Erinnerungstour in Durban

Historische Schauplätze als Sehenswürdigkeiten


In der Küstenstadt Durban haben über die Hälfte der rund 900.000 EinwohnerInnen indische Wurzeln. Ihre Vorfahren kamen unter den britischen Kolonialherren als Plantagenarbeiter nach Südafrika oder liessen sich als Händlerinnen und Handwerker nieder. Der wohl berühmteste Vertreter dieser Bevölkerungsgruppe war Mahatma Gandhi, der 1893 als junger Anwalt  nach Südafrika reiste und sich dort 21 Jahre lang für die Rechte der Unterdrückten einsetzte.

Während der Apartheid (1948 – 1993) hatten die indischstämmigen Menschen in Südafrika eine Sonderstellung: Auch sie waren gegenüber den "Weißen" benachteiligt, genossen aber im Vergleich zu den "Schwarzen" und "Farbigen" etliche Privilegien – ganz nach dem Motto "teile und herrsche”, mit dem das Regime die Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufzuwiegeln hoffte.

Urmilla Singh ist eine indischstämmige Südafrikanerin, die in Durban lebt. Während der Apartheid war sie im Widerstand aktiv, zuerst im "Natal Indian Congress", später im "African National Congress" (ANC) und der "ANC Women’s League". Ihr Ehemann war als politischer Häftling zehn Jahre auf der berüchtigten Gefängnisinsel Robben Island vor Kapstadt inhaftiert. Das Leben unter der Apartheid und die Erfahrungen der Wider­standsbewegung haben sie geprägt. "Die Geschichte darf nicht in Vergessenheit geraten", betont Urmilla. Im Tourismus sieht sie eine Möglichkeit, die Erinnerungsarbeit in die Tat umzusetzen. "Mein Ziel war es, den ausländischen und einheimischen Touristen ein ausgewogenes Bild unser Vergangenheit zu zeigen und ihnen zu erklären, wie die Demokratie zustande kam." 

Heute ist Urmilla qualifizierte Reiseleiterin und betreibt von ihrer Wohnung aus ein kleines Reiseunternehmen. Dazu hat sie die vorgeschriebenen Ausbildungskurse durchlaufen. Der Einstieg war nicht ganz einfach, denn die historischen und kulturellen Stätten, die Urmilla zeigen wollte, fanden sich in den 1990er Jahren noch in keinem Reiseführer. Doch die Überzeugungsarbeit bei der Tourismusbehörde hat sich gelohnt. Immer mehr historische Schauplätze der vormals benachteiligten Bevölkerungsgruppen werden als Sehenswürdigkeiten anerkannt. Neue Museen, Plätze und Monumente sind entstanden. Dass sich die Reisenden am Meer, an der Natur und den wunderschönen Landschaften erfreuen, stört Urmilla keineswegs. Doch wer verstehen möchte, wie das südafrikanische "Wunder” zustande kam, müsse auch die Geschichte anschauen und die Personen kennen lernen, die diese Wende zu Stande gebracht hätten.

Dazu führt Urmilla die Gäste zu den historischen Schauplätzen. Auf dem Programm stehen das "Durban Cultural and Documentation Centre", das "Kwa Muhle Museum", die Phoenix-Siedlung von Mahatma Gandhi, das Wirkungsfeld des ersten ANC-Vorsitzenden John Langalibalele Dube, ein Zentrum, das nach dem Friedensnobelpreisträger Chief Albert Luthuli (1961) benannt ist, und vieles mehr. "Ich zeige die Gefängnisse, in denen die politischen Häftlinge eingesperrt waren und berichte über die Haftbedingungen. Ich zeige die Kirche, von der aus wir unsere Märsche und Kampagnen starteten und Hun­derte von Menschen mobilisierten. Und ich zeige die anderen Kirchen, in denen wir uns trafen und unsere Frauengruppen organisierten", erzählt Urmilla.

Eine ihrer Touren heißt "Contrasts of Durban". Sie beginnt in der Innenstadt und führt über reiche Vororte in die Townships im Norden. Dabei sieht man die unterschiedlichen Lebensstile. Doch Besichtigungen allein genügen nicht, betont sie, man müsse auch die Geschichte dieser Townships vermitteln, wie sie entstanden sind und sich entwickelten, woher die Menschen kamen und wie sie die Geschichte mitgestalteten. Das große Interesse der Reisenden an der Geschichte und Kultur ihres Landes freut sie. "Diese Touren sind mein Beitrag, den Menschen in Südafrika ihre Geschichte zurückzugeben", sagt Urmilla.

Tours of Remembrance, Urmilla Singh, P.O. Box 61904, Bishopsgate 4008, Durban, Tel./Fax +27 (0)31 337 78 79, Handy +27 (0)83 560 99 99, uritours@absamail.co.za

(3.993 Anschläge, 52 Zeilen, März 2003)

Die beiden Beiträge über Südafrika wurden (mit Genehmigung) der neuen Publikation "Fair unterwegs in Südafrika und Namibia" entnommen. Sie erschien Ende 2002 im Baseler "Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung", www.akte.ch.