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Menschenrechtliche Sorgfalt in der Reisebranche

Drei Fragen an Norbert Fiebig, Deutscher Reiseverband (DRV)


Mehr als 15 Unternehmen und Organisationen im Tourismus haben sich bereits öffentlich zu ihrer Verantwortung für die Menschenrechte bekannt, darunter auch namhafte deutsche Veranstalter. Sie setzen sich innerhalb des „Roundtable Menschenrechte im Tourismus“ für einen Branchenstandard für menschenrechtliche Sorgfalt ein und haben in ihren Unternehmen erste Maßnahmen ergriffen, negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte zu verringern.

Neben Reiseveranstaltern haben sich auch die Reiseverbände der Schweiz und Österreichs öffentlich zu ihrer Verantwortung bekannt. Vor diesem Hintergrund fragten wir Norbert Fiebig, den Präsidenten des Deutschen Reiseverbandes (DRV), nach dem Stellenwert des Themas Menschenrechte innerhalb seines Verbands und nach seinen Möglichkeiten und Plänen, die Mitgliedsunternehmen bei der Umsetzung ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflicht zu unterstützen.

TW: Nach der öffentlichen Unterzeichnung des Menschenrechts-Commitments durch die nationalen Reiseverbände in Österreich und der Schweiz ist es um den Deutschen Reiseverband still geblieben. Welchen Stellenwert hat das Thema Menschenrechte im Tourismus im DRV?

Norbert Fiebig: Das Fördern eines verantwortungsvollen und nachhaltigen Tourismus ist ein zentrales Anliegen des DRV. Im Jahr 2012 hat der DRV zusammen mit 13 Unternehmen der deutschen Reisebranche den international anerkannten Globalen Ethikkodex der Welttourismusorganisation (UNWTO) unterzeichnet. Dieser Kodex beinhaltet unter anderem die Achtung der Menschenrechte im Rahmen touristischer Aktivitäten.

Mit der Unterzeichnung des Kodex bekennen sich der DRV und die Unternehmen klar zu der Achtung von Menschenrechten als unverrückbare Grundrechte jedes Einzelnen. Ihre Berücksichtigung in der eigenen Geschäftspolitik ist für Unternehmen eine Grundvoraussetzung und klare Verpflichtung. Die Kernverantwortung eines Unternehmens kann sich dabei allerdings nur auf Entscheidungen beziehen, die es im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit trifft. Im Rahmen der Möglichkeiten weist der DRV aber auch auf etwaige Missstände hin und spricht diese gegenüber den Tourismusverantwortlichen der Länder aktiv an. 

TW: Die Unternehmen und Organisationen im „Roundtable Menschenrechte im Tourismus“ sehen die Rolle der Verbände in Bezug auf die Menschenrechte vor allem darin, die Sensibilisierung ihrer Mitglieder zu fördern, den Erfahrungsaustausch zu verbessern, gemeinschaftliche Aktivitäten zu realisieren und sich im politischen Dialog für die Verwirklichung der Menschenrechte einzusetzen. Wie kann und will der DRV sich dieser Aufgaben annehmen?

Norbert Fiebig: Der DRV widmet sich diesen Aufgaben im Rahmen seines Ausschusses Nachhaltigkeit. Eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema Menschenrechte dient darüber hinaus zusätzlich als Plattform für den Dialog und Austausch zwischen Unternehmen der Reisebranche. Im Vordergrund steht beispielweise die Frage, wie die Tourismusbranche insgesamt zur weiteren Stärkung der Menschenrechte beitragen kann. Grundlage hierfür stellt unter anderem die bislang unveröffentlichte GIZ-Studie „Menschenrechte im Tourismus“ dar, deren erste Ergebnisse herangezogen werden, um den Handlungsbedarf für die Branche zu ermitteln. Ein wichtiges Anliegen wird dabei sein, für Branchenunternehmen Informationen darüber bereitzustellen, in welchen Ländern beispielweise Menschenrechte bedroht sein könnten. Neben den Informationen und Empfehlungen, die der DRV bereitstellen kann, liegt es in der Verantwortung eines jeden Unternehmens, eigene organisatorische Maßnahmen zur Umsetzung seiner menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht zu etablieren.

TW: Das Thema Compliance – also Gesetzestreue – hat durch die Schaffung einer eigenen Ombudsstelle im DRV offensichtlich an Bedeutung gewonnen. Wie funktioniert ein solcher Beschwerdeweg für Menschen, die nicht vertraglich mit einem Reiseveranstalter in Beziehung stehen, z.B. Fischer in touristischen Zielgebieten, denen durch ein von deutschen Veranstaltern genutztes Hotel widerrechtlich der Zugang zum Meer versperrt wird?

Norbert Fiebig: Das Thema Compliance hat für den DRV und seine Mitglieder einen hohen Stellenwert. Der Begriff Compliance wird allerdings sehr unterschiedlich verstanden. Im weitesten Sinne kann unter Compliance natürlich jeder Gesetzesverstoß verstanden werden, z. B. also auch der Verstoß gegen Naturschutzgesetze, gegen Arbeitsvorschriften usw. Uns als Branchenverband geht es aber vielmehr darum, dass unsere Beziehungen zu unseren Mitgliedern, zwischen den Mitgliedern untereinander und zwischen diesen und ihren Leistungsträgern auf der Grundlage eines fairen Wettbewerbs und eines fairen Umgangs erfolgen, der nicht durch Korruption oder andere strafbare Handlungen beeinflusst wird.

Der vom DRV eingerichtete Ombudsmann dient dazu, als neutrale Stelle Informationen entgegenzunehmen und diese an die von solchen Compliance-Verstößen betroffenen Mitglieder weiterzuleiten, damit diese reagieren können. Darauf ist die Aufgabe unseres Ombudsmanns inhaltlich und thematisch beschränkt. Ziel des DRV war es gerade nicht, eine zusätzliche Stelle einzurichten, die anstelle der ordentlichen Gerichte im In- und Ausland Auseinandersetzungen jeglicher Art regeln soll.

Die Funktion einer Schiedsstelle hat er also nicht. Konkret auf das oben genannte Beispiel bezogen bedeutet das, dass die Fischer, sollten sie tatsächlich in ihrem Recht auf Zugang zum Meer beeinträchtigt sein, die vor Ort vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten in Anspruch nehmen müssten.

(5.522 Zeichen, März 2015, TW 78)