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Globalisierte Tropen: Paradies oder Sündenfall in Brandenburg

Ein ökologischer Blick auf "Tropical Islands" - Langune statt Zeppeline


Der Traum vom größten Luftschiffbauer Cargolifter endete vor drei Jahren im insolventen Alptraum. Doch die Superlative in Brand (Dahme-Spreewald-Kreis) haben überdauert. Die größte freitragende Halle wurde zum größten künstlichen Tropenparadies der Welt umgebaut. Ein Bauwerk von umweltpolitischer Brisanz, 60 km südöstlich von Berlin. Über die Eröffnung im Dezember 2004 berichteten Medien aus der ganzen Welt.

Es ist unverkennbar: Das Paradies beginnt zu welken. Viele Pflanzen in der dämmrigen Cargolifter-Halle kränkeln. Doch üppiges Grün findet sich noch genug. Im Januar betrete ich zum ersten Mal das Lausitzer "Urlaubsparadies von Menschenhand". Die Uhr zeigt halb zwölf.

Zur selben Zeit, sieben Längengrade ostwärts. Flutlicht zerreißt die Nacht im Dschungel von Neuguinea, das Kreischen der Motorsägen, das Krachen uralter Bäume. Die Holzfäller haben es eilig. Fällen, Zerstückeln, Verladen. Zu Hause lohnt sich die Ernte kaum noch. Ihre Firmen zählen zu den Großen im millionenschweren Tropenholzgeschäft. Ihre Heimat heißt Malaysia.

"Malaysia und Tropenwald?" Für viele Brandenburger ein toller Zweiklang, seit es die "Tropen vor den Toren Berlins" gibt. Deren Schöpfer, der Chinese Colin Au, stammt aus Malaysia. "Nahezu jeder Deutsche" wünsche sich, der "tristen Stimmung und den grauen Tagen" zu entfliehen, "die in mitteleuropäischen Breitengraden fast der Normalzustand sind", meint Au. Dabei hatten wir doch jüngst so schöne heiße Sommer. Im Pressetext heißt es weiter: "Als ehemaliger Chef der führenden Kreuzfahrtlinie im asiatisch-pazifischen Raum, kehrte Au (55) das Prinzip der Kreuzfahrt um: "Nicht die Fehrnwehgeplagten besuchen die Tropen, sondern die Tropen kommen hierher."

Mit Superlativen gespickte Marketingtexte nerven mich, aber vielleicht sind sie ja unumgänglich. Die Prospekte preisen das "größte Lifestyle-Resort in Europa mit dem größten Regenwald außerhalb der Tropen". Die Angebote: "exklusiv, schillernd, fantastisch, luxuriös, rauschend, fulminant, exotisch, imposant, opulent." Deutsche Sprache, lustvoll. Wellness und Barcadi-Feeling. Auch für den kleinen Geldbeutel, 24 Stunden am Tag. Die 360 Meter lange, 210 Meter breite Halle einmal zu durchwandern, braucht Zeit - entlang der Südsee, der Bali-Lagune mit 150 Liegestühlen aus Teakholz, vorbei an Restaurants und dem globalen Tropendorf mit "exotischem Bühnenzauber". Anmutige Thai-Mädchen tanzen vor essenden, trinkenden Zuschauern. Auch Künstler aus China, Bali, Indien, Borneo. Das ganze vier Mal am Tag auf der Wayang-Bühne. Abends "Viva Brasil" - Tanztheater auf der Südseebühne.

Warum kein Eispalast in der Kalahari?

"Sind Sie auch zum ersten Mal hier?", frage ich zwei Rentnerinnen, die mit geröteten Gesichtern in Richtung Regenwald schlendern. "Nein, wir sind aus Halbe, das ist nicht weit." Erschrocken fasst sich die eine Frau plötzlich auf den Kopf und guckt 107 Meter in die Höhe. "Kondenswasser", beruhige ich sie. Eigentlich müsste die schwülfeuchte Halle überall tropfen, vor allem im Winter. Ein Vorhang aus Heißluft verhindert dies, erfahre ich später.

Meine Sicht auf "Sonne, Strand und Palmen" in der Lausitz ist kritisch. Die Halle misst 6,6 Hektar (acht Fußballfelder) und fasst fünf Millionen Kubikmeter. Die "traumhafte Lufttemperatur" liegt bei 25º C, teilweise 35º C. Tropenklima in dieser Dimension als Freizeitspaß zu installieren und gleichzeitig mit dem Lockmittel Regenwald Geschäfte zu machen, halte ich für doppelt fragwürdig. Ein Holiday-Eispalast in der Kalahari? Undenkbar! Dennoch trifft der Vergleich. Zumindest energetisch.

"Das Tropical Islands Resort ist eine weltweit einzigartige Tropenlandschaft, in der die Asien-Pazifik-Region, Afrika und Südamerika aufeinander treffen", schwärmt der Pressetext. Ein Blick ins Internet zeigt, dass dies nicht stimmt: www.edenproject.com. Tropenwald aller Kontinente ist seit Jahren im englischen Cornwall zu erleben; in einem riesigen sonnendurchfluteten Rundwabenbau; ausgetüftelt klimatisiert. Dort sind sogar Tiere zugelassen. In der Cargo-Halle gibt es lediglich Regenwald "light". Keine Vogelspinnen, Schlangen und was sonst noch dazugehört.

Pressesprecher Hess nimmt sich Zeit für meine Fragen. "Laut der Welternährungsorganisation FAO wird weltweit jede Minute soviel Regenwald zerstört, wie in diese Halle passt. Indigene Völker verlieren ihre Heimat. Könnten Sie sich Regenwaldschutz als Thema künftiger Workshops vorstellen?" frage ich. Herr Hess könnte es. "Und wann darf Sonnenlicht in den Dom?" Die Spezialfolie auf der Südseite werde demnächst eingebaut. Dann ginge es den Pflanzen besser; sie hätten in der Bauphase gelitten. 20.000 Quadratmeter Dachumbau bei laufendem Wellness-Betrieb? Ich drücke dem Regenwald die Daumen; er wird schon durchhalten!

Countdown der Tropenwälder

Als sich das Paradies hinter mir schließt, sind die Parkplätze gut gefüllt. Kalter Wind fegt über die ehemalige Startbahn sowjetischer Düsenbomber, auf der sich der graue Koloss erhebt. Herr Au wünscht sich drei Millionen Besucher pro Jahr, 8.000 pro Tag. In den vier Stunden meines Besuches ist der Countdown der Tropenwälder weitergegangen - eine Fläche von 240 Cargolifter-Hallen ist verloren. Tropenwald, von dessen Überleben unser Weltklima abhängt. Aber auch vom sparsamen Verbrauch fossiler Energien hängt es ja ab, unser Weltklima.

Mit meiner Skepsis bin ich nicht allein. Detlef Bramigk von der "Gesellschaft für rationelle Energieverwendung" warnte, die Cargolifter-Halle werde zur "größten Energieschleuder Brandenburgs"; die Pläne seien "bedenklich" bis "kriminell". Prof. Rolf Kreibich, Direktor des Instituts für Zukunftsforschung und Technologiebewertung (Berlin) und Vorsitzender des Ausschusses für Immissionsschutz des Landes Brandenburg, hält sie "für absolut unvertretbar". Politik, Baurecht und Umweltschutz des Landes Brandenburg hatten zu entscheiden. Wer hat wen dominiert? Eine Chronik. Sommer 2002: die Cargolifter-Pleite vererbt ein Problem: die 78-Millionen-Euro-Halle (darin 38 Millionen Fördermittel). Colin Au, gemeinsam mit dem britisch-malaysischen Tanjong-Konzern, erwirbt den Bau für 17,5 Millionen Euro, verspricht 70 Millionen Investitionen und 700 Arbeitsplätze. Seine Bedingung: keine Behördentrödelei. Februar 2004: Der Landkreis Dahme-Spreewald genehmigt nach drei Monaten Prüfzeit. Spätherbst 2004: Das Energiekonzept ist noch immer nicht offengelegt; der Immissionsschutz bleibt "außen vor". Prof. Kreibich hat seine Einwände schriftlich an Ministerpräsident Platzeck gerichtet, an die Minister Birthler, Woidke, Schönbohm und Speer, an die Landtagsparteien. Weitgehend Schweigen. 19. Dezember 2004: Der RBB überträgt die Eröffnungsgala live. Begeisterung pur!

Energieschleuder ohne Umwelt-Check

Baugenehmigungen erfordern energetische Gutachten. Welche Baustoffe; welche Dämmwirkung? Im Auftrag von Au begutachtete die Firma SIAT (München); Prof. Klaus Hänel (Cottbus) prüfte den Bericht. Beide stellen fest: Die Energieeinsparverordnung von 2001 sei eingehalten. Schwer zu begreifen, doch mein Telefonat mit Prof. Hänel löst das Rätsel. Die Verordnung bezieht sich auf 19º C Innentemperatur; Berechnungen für die Zusatz-Tropenwärme waren nicht gefordert! "Und der Ausstoß an Treibhausgasen? Der Energieverbrauch insgesamt?" "Wird von den Baubehörden nicht geprüft."

Bliebe der Umweltschutz und seine "Umweltverträglichkeitsprüfungen" (UVP). Für Tropical Islands - erfahre ich aus Umweltministerium und Landesumweltamt - habe sich eine UVP erübrigt. Die Halle sei nur "umgewidmet" worden. Karsten Sommer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, ist anderer Meinung. "Die Prüfung ist bei größeren Bauprojekten vorgeschrieben".

Die für Tropical Islands genutzte Heizzentrale erzeugt den Jahresbedarf von etwa 4.000 Einfamilienhäusern. Wenn das kein größeres Bauprojekt war! Kalter Wind fegt über die Lausitz. Das Paradies steht offen. Auch ohne geprüfte Umweltverträglichkeit. Oder gerade deshalb. Es gibt 700 Lausitzern Lohn und Brot. Wer sollte daran mäkeln?

Bliebe als letztes die Ethik. Fragen nach dem Sinn unseres Lebensstils. Vielleicht schreibt ja ein Poet irgendwann die Mär vom gefesselten Zyklopen Lausitz, dessen Riesenauge aus dem Beton quillt und in den Nächten vor Zorn glüht; weil die Leute ihn verspotten. Denn sie feiern das Paradies, aus dem Horno und so viele seiner Braunkohle-Dörfer längst vertrieben sind.

Vgl. auch www.my-tropical-islands.com

(8.466 Anschläge, 102 Zeilen, März 2005)

RBB= Rundfunk Berlin-Brandenburg, früher Sender Freies Berlin (SFB) und Ostdeutscher Rundfunk (ORB)