Blog

Gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern

Zweiter Weltkongress im japanischen Yokohama


Seit dem ersten Weltkongress 1996 in Stockholm sind sichtbare Erfolge erzielt worden. Doch gibt es Hinweise, dass die sexuelle Ausbeutung von Kindern weiter im Steigen begriffen ist, und dass sie neue Formen annimmt. So die Bilanz von Raffaele Salinari, Sprecherin der NGO-Gruppe für die Kinderrechtskonvention zum Abschluss des "Zweiten Weltkongresses gegen die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern".

Dennoch zeigten sich die Veranstalter - UNICEF, ECPAT International (End Child Prostitution, Child Pornography and the Trafficking of Children for Sexual Purposes) und die NGO-Gruppe für die Kinderrechtskonvention - mit den Ergebnissen des Kongresses zufrieden. Über 3.000 Teilnehmer waren vom 17. bis 20. Dezember 2001 in Yokohama/Japan zusammengekommen, darunter 134 Regierungsdelegationen. In einem Schlussdokument, dem "Yokohama Global Commitment", bestätigten und verstärkten sie die vor fünf Jahren in Stockholm eingegangenen Verpflichtungen. Besonders betont wurde, das Übel an der Wurzel packen zu müssen und gegen Armut, Diskriminierung und Gewalt anzugehen. Auch müsse das Augenmerk in Zukunft noch stärker auf die Nachfrageseite gelenkt werden. So kündigte Muireann O Briain, Direktorin von ECPAT International an, die Organisation und ihre Partnergruppen würden sich künftig stärker der Frage widmen, warum Männer sexuelle Kontakte zu Jungen und Mädchen suchten.

Bereits auf dem ersten Weltkongress war der Vielschichtigkeit sexueller Ausbeutung von Kindern durch Prostitution, Pornographie und Kinderhandel Rechnung getragen worden. Allen Akteuren, die eine Rolle im Kampf gegen diese Verbrechen spielen können, waren konkrete Handlungsempfehlungen mit auf den Weg gegeben worden. Doch lediglich ein Drittel der 122 Unterzeichnerstaaten des Aktionsplans von Stockholm verwirklichten die darin vereinbarte Zusammenarbeit mit Politik und Wirtschaft. Nach Einschätzung von ECPAT-Deutschland fehlt es weltweit an der Umsetzung der entsprechenden Gesetze und einer grundsätzlichen Ausrichtung der Politik zum Schutz Minderjähriger vor sexueller Ausbeutung.

Dennoch ist an vielen Stellen etwas getan worden. Kinder wurden aus der Prostitution befreit und ihre Reintegration in die Gesellschaft gefördert. Kampagnen haben das öffentliche Bewusstsein aufgerüttelt. Projekte nahmen sich der Kinder an, die besonders von Ausbeutung bedroht sind. Forschungsarbeiten haben dazu beitragen, Tätermotive und Ausbeutungsmechanismen besser nachzuvollziehen. Internationale Vereinbarungen verpflichten die Staatengemeinschaft, Kinder wirksam vor sexueller Ausbeutung zu schützen. Dazu zählen ein Protokoll zur Kinderrechtskonvention über Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie und das Übereinkommen zur Abschaffung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit von 1999. Inzwischen haben 34 Länder nationale Aktionspläne erstellt, weitere 26 sind dabei, solche Pläne zu entwickeln. Viele Länder haben ihre nationale Gesetzgebung verbessert, sodass in nunmehr 21 Ländern Täter in ihrer Heimat verfolgt werden können, die im Ausland Verbrechen an Kindern begangen haben.

Dass es bei der Umsetzung immer noch viele Schwachstellen gibt, zeigt auch das Beispiel Deutschland. Seit hier 1993 die exterritoriale Gesetzgebung eingeführt wurde, sind nach Angaben von ECPAT Deutschland immerhin 33 Täter für ihre im Ausland begangenen Straftaten von einem deutschen Gericht verurteilt worden. Ausländische Minderjährige, die nach Deutschland eingeschleust und zur Prostitution gezwungen werden, können aber immer noch nicht auf Hilfe hoffen. Da das Ausländergesetz in Deutschland Vorrang habe, würden sie als Illegale behandelt und abgeschoben.

Auch das Engagement der deutschen Reiseindustrie lässt noch etwas zu wünschen übrig. Heinz Fuchs, Leiter der Fachstelle TOURISM WATCH des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED), stellte in einem Workshop die Erfahrungen der NGOs mit der deutschen Reiseindustrie bei der Einführung eines „Verhaltenskodexes zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung im Tourismus“ vor (vgl. Anhang, TW 25). Dieser Verhaltenskodex findet international zunehmend Verbreitung. Er werde als beispielhafter Beitrag des privaten Sektors im Kampf gegen den kommerziellen sexuellen Missbrauch von Kindern gesehen, betont Fuchs. Umso mehr bedauert er daher, dass sich trotz entsprechender Einladungen kein deutscher Reiseveranstalter und auch nicht der Deutsche Reisebüro und Reiseveranstalter Verband (DRV) im Stande sah, das Engagement der Branche auf dem Weltkongress selbst vorzustellen.

Als positiv schätzt Fuchs dagegen ein, dass auf dem Kongress in Yokohama – im Vergleich zu Stockholm - die Kinder selbst in den Vordergrund rückten. 90 offizielle Jugenddelegierte machten deutlich, dass Kinder und Jugendliche nicht nur Opfer, sondern ebenso Akteure zum Schutz von Minderjährigen vor sexueller Ausbeutung sind. Auch wenn sich die Veranstalter mit einer für die Jugendpartizipation notwendigen, eher prozessorientierten Konferenzkultur noch schwer täten und die verbindliche Mitgestaltung der Jugendvertreter noch viele Lücken aufgewiesen hätte, findet Fuchs den eingeschlagenen Weg richtig. Deshalb werde auch die "Arbeitsgemeinschaft gegen kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern (ECPAT Deutschland)" Jugendliche zukünftig stärker einbeziehen und möchte dazu Jugendverbände und -organisationen als Partner gewinnen.

(5.473 Zeichen, 68 Anschläge, März 2002)