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GATS, EPAs und was dann?


In der Welthandelsorganisation (WTO) will es nicht so recht vorwärts gehen. Deshalb hat die Europäische Union einen neuen Weg zur Liberalisierung des globalen Dienstleistungshandels ersonnen. Nicht zuletzt aufgrund des Stillstandes der Doha-Runde der WTO verkündete die EU-Kommission im Oktober 2006 ihre neue Außenhandelsstrategie unter dem Titel „Global Europe. Competing in the World“. Mit der nun veränderten Programmatik setzt die EU neben der multilateralen Schiene zur Liberalisierung des Welthandels auf bilaterale beziehungsweise regionale Abkommen. Dabei geht es ihr weniger um den klassischen Handel mit Agrar- und Industriegütern. Im Vordergrund stehen die so genannten handelsbezogenen Bereiche wie Rechte an geistigem Eigentum, Wettbewerb und öffentliches Beschaffungswesen, aber auch Investitionen und Dienstleistungen.

Die EU zielt mit ihrer neuen Strategie zwar in erster Linie auf Schwellenländer, allerdings spiegelt sich die neue Außenhandelsstrategie auch in den aktuellen Verhandlungen für Freihandelsabkommen (so genannte Wirtschaftspartnerschafts-abkommen) mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des pazifischen Raums (AKP-Staaten) wider. Im April 2007 haben die Mitgliedsstaaten der EU der Kommission zudem fünf neue Verhandlungsmandate erteilt. Damit ist der Weg frei für neue Freihandelsabkommen mit den Anden-Ländern, den ASEAN-Mitgliedern, den Golfanrainer-Staaten, Südkorea und Indien.

Für die Tourismusbranchen in den jeweiligen Ländern bedeutet dies, dass der Liberalisierungsdruck trotz stagnierender WTO-Verhandlungen anhält. Bereits seit Jahren warnen Nichtregierungsorganisationen wie etwa Equations aus Indien vor den Folgen einer weiteren Liberalisierung tourismusbezogener Dienstleistungen. Neuere Untersuchungen, die Equations mit Unterstützung des EED durchführte, bestätigen die Erwartung, dass mangelnde Regulierung im Tourismussektor bereits heute dazu führt, dass die Zielländer nur unzureichend vom Tourismus profitierten.

Dabei besteht zum einen die Sorge, dass die erforderliche Korrektur durch Reregulierung aufgrund von Verpflichtungen zur Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen versperrt wird, wobei dann kaum von Bedeutung sein dürfte, ob es sich hierbei um bilaterale oder multilaterale Verpflichtungen handelt. Hier wie dort ist der Weg zurück zu stärkerer Regulierung praktisch unmöglich.

Zum anderen hätten aber auch weitere Verpflichtungen zur Liberalisierung erhebliche Folgen für die lokale Bevölkerung in den Destinationen. Lokale Bemühungen, touristische Dienstleistungen so zu regulieren, dass sie dem Interesse der einheimischen Bevölkerung dienen, sind gefährdet, wenn beispielsweise die Regierung in Neu-Delhi mit der EU über eine Liberalisierung des Dienstleistungshandels verhandelt. Denn dabei geht es eben um den Abbau von Regulierungen, die nach neoliberalem Verständnis als unnötig und schädlich für das ökonomische Wachstum empfunden werden. Es fragt sich nur, wessen Wachstum da gemeint ist.

Michael Frein ist Referent für Welthandelspolitik beim Evangelischen Entwicklungsdienst (EED).

(3.097 Anschläge, 41 Zeilen, Dezember 2007)