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Emissionen senken, Entwicklung fördern

Drei Fragen an Nafisa Goga D’Souza, Direktorin des Laya Resource Centres


Wenn Touristen dafür zahlen, ihre Flugreise-Emissionen zu kompensieren, müssen an anderer Stelle in gleicher Menge Emissionen verringert werden. Diese Reduktionen müssen real sein und zusätzlich stattfinden. Das können zum Beispiel Projekte sein, die die Energieeffizienz erhöhen oder erneuerbare Energien fördern. Idealerweise sollten solche Projekte nicht nur dem Klimaschutz dienen, sondern auch der Entwicklung und der Widerstands- und Anpassungsfähigkeit der Bevölkerung vor Ort.

Wie das gehen kann, zeigt das Laya Resource Centre, eine Nichtregierungsorganisation, die mit indigenen Bevölkerungsgruppen (Adivasis) in Andhra Pradesh in Südindien zusammenarbeitet. Das Laya-Projekt zur Verbreitung energiesparender Kochstellen ist eines der Kompensationsprojekte der "Klima-Kollekte", dem CO2-Kompensationsfonds christlicher Kirchen in Deutschland. Wir fragten die Direktorin von Laya, Nafisa Goga D’Souza, wie durch das Projekt vor Ort Emissionen verringert, Entwicklung gefördert und die Abholzung der Wälder eingedämmt wird. Auch wollten wir mehr über die Probleme mit CDM-Projekten in Indien wissen, bei denen Entwicklungsanliegen vernachlässigt werden.

TW: Wie funktionierte die Entwicklung und Anerkennung Ihrer Klimaschutzprojekte, die nach dem CDM Gold Standard zertifiziert sind?

Der Gold Standard ist ein Zertifizierungsstandard für Klimaschutzprojekte, durch die CO2-Emissionen verringert werden. Er ist international als Qualitätsmaßstab anerkannt und zeigt tatsächliche und dauerhafte Verringerungen von Treibhausgasen und nachhaltige Entwicklungsvorteile für lokale Gemeinschaften, die gemessen, dokumentiert und überprüft werden. Mit diesem Ansatz wird sichergestellt, dass sowohl die Reduktionsziele als auch einen saubere und nachhaltige Entwicklung tatsächlich erreicht werden.

Laya hat mit Unterstützung eines Beraters, der die Registrierungsunterlagen, die sogenannten Projektdesigndokumente (PDDs), erarbeitet hat, beim Gold Standard zwei Kochstellenprojekte für 10.000 Haushalte registriert. In den Dokumenten ist zum einen die CO2-Menge berechnet, die durch die Einführung der Kochstellen und Verringerung des Feuerholzverbrauchs eingespart wird. Andererseits werden die vielfältigen Vorteile erfasst, von denen die Familien profitieren, die diese Kochstellen nutzen. Nach einer Überprüfung wurden die PDDs nach dem Gold Standard registriert.

Zur Umsetzung dieses Projektes hat Laya für eine Anschubfinanzierung mit Brot für die Welt und Misereor zusammengearbeitet und finanzielle Unterstützung zur Deckung der Kapital- und Betriebskosten für die Installation der Kochstellen in den Haushalten bekommen. Der vorgestreckte Betrag wird in Form von Gutschriften zurückgezahlt, die innerhalb eines praktikablen Zeitrahmens generiert werden. Bislang konnte eine Emissionsreduktion im Umfang von 5765 Tonnen CO2 erzielt werden.

TW: Wie nützt das Projekt den Menschen vor Ort?

Die Vorteile eines solchen Projektes für die Menschen hier sind enorm. Dieses Projekt befindet sich in einer abgelegenen Gegend, die von indigenen Gemeinschaften bewohnt wird. Sie werden nach der indischen Verfassung als „gelistete Volksgruppen“ (‘scheduled tribes’) anerkannt und gelten als die am stärksten marginalisierten Gemeinschaften des Landes.

Zum Kochen nutzen sie üblicherweise einfache Kochstellen, die mit Feuerholz ausgesprochen ineffizient betrieben werden und schädlich für die Gesundheit sind. Effizientere Kochstellen reduzieren die Rauchentwicklung erheblich, denn der Rauch wird durch einen Schornstein aus dem Haus geleitet. Das führt insgesamt zu weniger Innenraumbelastung, was vor allem Frauen und Kindern zugute kommt, die dem Rauch am meisten ausgesetzt sind. Zweitens sind diese verbesserten Kochstellen so gestaltet, dass dafür weniger Holz benötigt wird. Die Haushalte tragen damit weniger zur Entwaldung bei – wenngleich allerdings die Hauptschuldigen an der Abholzung der Wälder Bauunternehmer aus den Städten sind, die die unersättliche städtische Nachfrage bedienen. Zudem sind es in den indigenen Haushalten hauptsächlich die Frauen, die das Holz sammeln und die oft weite Wege zurücklegen müssen, um Holz aus dem Wald zu holen. Durch das Projekt verringert sich ihre Belastung.

Ein solches Projekt stellt auch sicher, dass sich durch einen besseren Gesundheitszustand und weniger Strapazen die Widerstandsfähigkeiten der Familie insgesamt verbessert. Die Frauen haben so mehr Zeit für ihre persönlichen Bedürfnisse.

TW: Was für Probleme gibt es mit CDM-Projekten, die keine solche Entwicklungsperspektive haben?

Zunächst sind finanzielle Vorteile die treibende Kraft hinter fast allen CDM-Projekten. Das bedeutet, dass das Ziel nachhaltiger Entwicklung nur ein Lippenbekenntnis ist. Das zeigt sich ganz offensichtlich in der Art und Weise, wie ‘Nachhaltigkeitsindikatoren’ in den PDDs von CDM-Projekten formuliert sind. In den meisten Fällen ist der Nutzen für eine nachhaltige Entwicklung der Gemeinschaften in den PDDs nur sehr vage definiert. Das ist deshalb möglich, weil die von der indischen Regierung entwickelten Indikatoren für nachhaltige Entwicklung unklar sind und daher eine Vielzahl an Interpretationen erlauben. Diejenigen, die so ein Projekt vorschlagen, müssen nur sehr wenige Verpflichtungen erfüllen.

Von Gemeinschaften, die die Nutznießer von CDM-Projekten sein sollten, haben wir erfahren, dass ihnen zwar Versprechungen für eine verbesserte Infrastruktur im Umfeld der Projekte gemacht wurden, diese Versprechen jedoch nicht eingehalten wurden. Außerdem wurden Treffen mit Interessengruppen nur pro forma organisiert, einfach nur um die CDM-Regeln einzuhalten. Die meisten Gemeinschaften wussten nichts von den CDM-Projekten, die in ihrer Umgebung eingeführt wurden.

Außerdem hat die Art und Weise, in der mehrere dieser Projekte umgesetzt wurden, die Interessen der ortsansässigen Gemeinschaften an der Sicherung ihres Lebensunterhalts beeinträchtigt. In verschiedenen Fällen wurden ihre Landrechte gefährdet, insbesondere wenn große ‘mainstream'-Entwicklungsprojekte, die eine riesige Infrastruktur erfordern, unter der Ägide des CDM durchgeführt werden – selbst wenn es sich dabei um Projekte für erneuerbare Energien handelt. Auch gibt es einige umweltschädliche Projekte, wie zum Beispiel Eisenschwammprojekte, die in hohem Maße fossile Brennstoffe verbrauchen, die aber für einige ihrer Kerntechnologien Gelder aus dem CDM bekommen haben. Das ist inakzeptabel und sollte verboten werden, denn solche Projekte sind umwelt- und gesundheitsschädlich.

Weitere Informationen:

www.laya.org.in; CDM Projects in India: Do they truly promote sustainable development? Hg. Vasudha Foundation in Kooperation mit dem Indian Network on Ethics and Climate Change und Laya. November 2014.

Download:www.laya.org.in/PublicFiles/CDM_Projects_in_India_INECC.pdf?download

(6.496 Zeichen, Juni 2015, TW 79)