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Elefantenmusik und tote Dugongs

Probleme des Tierschutzes in Thailand


Die Seekuh alias Dugong ist ein gemütliches Tier. Sie grast auf submarinen Wiesen und ist zufrieden. Sie hat Glück: Ihr Fleisch schmeckt dem Menschen nicht. Sie hat aber auch Pech: Sie erschreckt sich so leicht. Bei geringsten Störungen kann sie einen Herzinfarkt erleiden. Ausgerechnet auf den Unterwasserweiden der gemütsvollen See­kuh vor der thailändischen Insel Ko Kradan treffen sich seit einigen Jahren Touristen und Einheimische zu einem neuen Spektakel. Man heiratet unter Wasser.

Diese sub­marinen Eheschließungen werden von thailändischen TV-Stationen und Tourismusver­anstaltern zu einem lärmenden Festival gemacht. Rund 100 Schnellboote brausen mit lärmenden Motoren von Ko Kradan aufs Meer hinaus. In Gummismokings und mit Sauerstoffflaschen springt die Gesellschaft über den Weiden der Dugongs ab. Mit blubbernden Luftblasen schreitet man zur Zeremonie. Auf wasserfesten Dokumenten wird unterschrieben. Über solch bizarren Unsinn haben sich Seekühe bereits zu Tode erschrocken. Das „Marinebiologische Zentrum“ in Phuket sammelt später die leblosen Tiere ein.

Tierschutz ist in Thailand nur ansatzweise vorhanden. Millionen kranker, abgemagerter Hunde kläffen an Straßenrändern der Städte und Dörfer. Die berühmten Siamkatzen sind verschwunden, Tiger ausgerottet. Gab es vor hundert Jahren noch rund 100.000 Elefanten, so leben heute nur mehr 2.500 Tiere in freier Wildbahn. Im Grenzgebiet von Thailand, Kambodscha und Laos soll inmitten eines minenverseuchten Gebietes ein „Dreiländergolfplatz“ entstehen. Dort hatte sich in Abwesenheit von Menschen ein reiches Tierleben entwickelt. Wo an den Küsten touristische Betonlandschaften entstehen und die Mangrovenwälder abgeholzt werden, kommen Seeschildkröten schon längst nicht mehr an Land.

Thailands Tourismus entwickelt immer neue Attraktionen, um Profite zu machen. Neben der Sex-Szene mit ihren Gogogirls kann man nun auch mit echten Krokodilen spielen. Auch Affen-Festspiele werden veranstaltet.

Der Wasserbüffel, ein Tier von sagenhafter Geduld und Trägheit, ist zu einem Symbol des asiatischen Fatalismus geworden. Eben deshalb hat er den Tourismusmanagern von Suphan Buri keine Ruhe gelassen. Man hat die Büffel aus ihren Tümpeln gescheucht. Bei einem „Screening“ von tausend Tieren sind nur 44 von ihnen als „smart“ befunden worden. Das arme Vieh wurde einem scharfen Training unterworfen. Mit schmerzhaft durch die Nasen gezogenen Schnüren wurden die Büffel gelenkt. Nur so waren sie zu jenen Tricks bereit, die gaffende und zahlende Touristen anlocken sollten. Allzuviel Artistik ist hierbei nicht erreicht worden. Die besten Büffel legten sich auf den Rücken und strampelten mit den Beinen. Sie trugen auch mit viel Widerwillen einen stehenden Mann auf dem Rücken. Gescheitert sind Trainingsversuche, die Büffel auf zwei Beinen hüpfen zu lassen. Dennoch reichte es für eine Show mit dem Titel „Bovine Extravaganza“.

Über die Arbeit des thailändischen Elefantenzentrum von Lampang sind Tierschützer geteilter Meinung. Doch die Mehrheit beruft sich auf den dissidenten Charakter des asiatischen Elefanten. Dieser sei an menschliche Nähe gewöhnt. Er sei intelligent, um­triebig und lernbegierig. Er sei durch Jahrtausende als Kämpfer, Arbeiter und zeremo­nielles Tier eingesetzt worden. Früher waren Elefanten oft im Verkehrsgewühl von Bangkok zu sehen. In Seitengassen zeigten sie ihre Kunststücke.

In Lampang entdeckte man unter kundiger Leitung des Amerikaners Richard Lair wei­tere Begabungen dieser Tiere. So konnten die pensionierten Elefanten zur Malerei verleitet werden. Besonders der Elefant „Luuk Pong“ entwickelte einen unverkennbaren Stil. Als Multitalent machte er auch in der Musik Karriere. Er wurde Bandleader des ersten Elefanten-Orchesters. Eine dritte Gruppe der Dickhäuter neigte eher zum Sport. So ist jedes Jahr in der königlichen Ferienresidenz von Hua Hin die WM des Elefanten-Polos zu sehen.

Lampang ist bemüht, die aus den Städten vertriebenen Elefanten in unberührte Teile des thailändischen Dschungels zurückzuführen. Erste Erfolge zeichnen sich ab. Mit dem Geld, das malende oder musizierende Dickhäuter eingespielt haben, konnten we­niger begabte Elefanten in die freie Wildbahn entlassen werden. Sie wurden eine Zeit lang observiert. Das Experiment scheint gelungen zu sein. Die Elefanten durften zu sich selbst zurückkehren.

Dr. Malte Olschewski ist Journalist und Sachbuchautor und lebt in Wien.

(4.400 Anschläge, 58 Zeilen, Dezember 2006)