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Corporate Social Responsibility (CSR)

Die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen


Der Einfluss transnationaler Unternehmen auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung von Staaten und damit auf das konkrete alltägliche Leben der Menschen hat weltweit und spätestens seit wir über Globalisierung reden, kontinuierlich zugenommen.

Fusionen im produktiven Sektor ebenso wie im Banken- und gesamten Dienstleistungsbereich ließen und lassen Unternehmen als Wirtschaftseinheiten entstehen, deren Finanzvolumen das mancher Staaten übersteigt. Dort taucht die Frage auf, wie viel wirtschaftliche Kraft und Macht es braucht, um politische Rahmenbedingungen mitzugestalten, und ob die Politik noch das Primat über dieWirtschaft hat. Andererseits gelang es Verbraucherbewegungen und anderen zivilgesellschaftlichen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Ländern des industrialisierten Nordens nicht nur, kleine Alternativmärkte mit öko-fair gehandelten Produkten und mittlerweile einem internationalen und anerkannten "fair trade label" zu schaffen, sondern auch transnationale Unternehmen und Konzerne wegen teilweise ökologisch und sozial unverträglicher Produktionsweisen ihrer Zulieferer unter Druck zu setzen. Teppiche ohne Kinderarbeit und Blumenproduktion ohne krankmachende, pestizidbelastete Arbeitsbedingungen sind ebensolche Beispiele wie Unternehmen, die initiativ werden und konkrete Maßnahmen ergreifen, um von "sozialkontaminierten" Produkten und Produktionsweisen loszukommen. Begleitet und indirekt gestützt wurde dieser Prozess von den großen UN-Weltkonferenzen der 80iger und 90iger Jahre.

Besonders die Beschlüsse der Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro mit der AGENDA 21 weisen allen gesellschaftlichen Gruppen, der Politik und der Wirtschaft eine globale Aufgabe und soziale Verantwortung für die Zukunft dieser Welt zu.

CSR (Corporate Social Responsibility) steht für eine neue Unternehmenskultur. Eine Kultur, bei der Unternehmen nicht nur dafür verantwortlich sind, Gewinne zu erwirtschaften, sondern auch dafür, unterwelchen Bedingungen diese Gewinne zustande kommen. CSR sieht vor, dass Wirtschaftsbetriebe ihre Wertschöpfungskette nicht nur nach ökonomischen Kriterien, sondern auch nach sozialen und ökologischen Prinzipien organisieren und ihre Beziehungen zu Mitarbeitenden, Kunden, Zulieferern, Nachbarn und anderen Interessengruppen pflegen. CSR umfasst nicht nur einzelne gute Taten, sondern eine im ganzen Unternehmen verankerte Haltung und strategische Ausrichtung. CSR stellt eine freiwillige Praxis der Unternehmen dar, die über die gesetzlichen Forderungen hinausgeht, s. Anhang "CSR-Instrumente"

Mit Hilfe weltweiter Vernetzungen und dem Ausbau der elektronischen Kommunikation gelangen Nachrichten über menschenunwürdige Arbeits- und soziale Bedingungen schneller als früher an die Öffentlichkeit. Der Imageschaden für ein Unternehmen kann im verschärften globalen Wettbewerb schnell ein wirtschaftliches Problem werden. Das erklärt die heutige erhöhte Bereitschaft von Unternehmen zu Gesprächen mit NGOs. Fairer Handel, Global Compact und OECD-Guidelines markieren beispielhaft den Handlungsrahmen zu mehr gesellschaftlicher Verantwortung, an denen sich bereits eine Vielzahl von Unternehmen orientiert.

Andererseits scheint große Verwirrung darüber zu bestehen, was denn nun eigentlich so genau "gesellschaftliche Verantwortung" eines Unternehmens oder neudeutsch Corporate Social Responsibility (CSR) bedeutet. Um etwas provokativ zu fragen: Geht es darum, sich mit dem(möglicherweise unsauber) verdienten Geld gesellschaftlich für Kultur und Kunst zu engagieren und beispielsweise die Weihnachtsbeleuchtung in Berlin unter den Linden mit fast einer halben Million Euro zu sponsern oder geht es darum, das unternehmerische Kerngeschäft und alle Ebenen unternehmerischen Handelns sozialverantwortlich auszugestalten (und so sauberes Geld zu verdienen)?

Aus der Sicht einer Organisation der Entwicklungszusammenarbeit wäre der zweite Aspekt naheliegend.

Auch die international agierenden Tourismusunternehmen geraten als Akteure der sozialen Entwicklung in den Zielgebieten verstärkt in den Blick. Sie sind gefordert, mehr Transparenz zu schaffen und auskunftsfähig zu werden, wie und unter welchen Bedingungen ihre Produkte und Dienstleistungen hergestellt und erbracht werden.

Der 1999 von der Welttourismus-Organisation (WTO) verabschiedete "Global Code of Ethics" fordert ebenfalls dazu auf. Beispielweise heißt es dort: "Touristische Aktivitäten sollten die Gleichheit von Männern und Frauen respektieren, sie sollten die Menschenrechte fördern und insbesondere die individuellen Rechte der verwundbarsten Gruppen, vor allem von Kindern, Älteren, Behinderten, ethnischen Minderheiten und indigenen Völkern, beachten". Und weiter "die Ausbeutung anderer in jeder Form, insbesondere die sexuelle Ausbeutung, vor allem von Kindern, widerspricht den fundamentalen Zielen des Tourismus...".

Der Ethikkodex basiert auf einem weitreichenden Ansatz sozialer, kultureller, wirtschaftlicher und ökologischer Aspekte. Auch wenn er bisher nicht justiziabel ist - er betont und fordert die Verantwortung aller Akteure, die mit touristischen Aktivitäten und der Tourismusentwicklung befasst sind. Dabei setzt er einesteils auf Freiwilligkeit und sieht andererseits die Beobachtung, auch durch Dritte, z.B.NGOs oder auch Zertifizierungs-gremien vor.

In Artikel 10 des Global Code of Ethics heißt es: "Die öffentlichen und privaten Akteure in der Tourismusentwicklung sollten in der Umsetzung dieser Prinzipien kooperieren und ihre wirkungsvolle Umsetzung überwachen".

Der Verhaltenskodex zum Schutz von Kindern

Beim "Schutzvon Kindern vor sexueller Ausbeutung durch Touristen" hat sich die Reisebranche verbindlich zu einem Verhaltenskodex bekannt. Nicht nur in Deutschland, auch wenn ich mich im wesentlichen auf die Erfahrungen hier beziehe.

Der Verhaltenskodex wurde unter Beteiligung der großen Reiseunternehmen zwischen ECPAT-Deutschland mit dem Deutschen Reisebüro und Veranstalterverband (DRV) ausgehandelt und seitens des Verbandes 2001 unterschrieben. Darin verpflichtet sich die Branche zu sehr konkreten Maßnahmen:

"Die Mitglieder des DRV verpflichten sich, mit diesen Maßnahmen ihren Anteil im Kampf gegen jede Form der sexuellen Ausbeutung von Kindern zu leisten." Der DRV fördert diese Vereinbarungen seiner Mitglieder und unterstützt sie im Rahmen seiner europäischen Verbandsmitgliedschaften im internationalen Kampf gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern.

Die Reiseunternehmen verpflichten sich:

  • Zur Festlegung einer ethischen Unternehmenspolitik
  • Zur Information, Sensibilisierung und Fortbildung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Herkunftsland und im Zielland
  • Zur Aufnahme der Thematik in Schulungen für Mitarbeiter/innen, Expedienten/innen und Reiseleiter und Reiseleiterinnen
  • Zur weitestmöglichen Aufnahme von Klauseln in Verträgen mit Hotels, Agenturen und anderen Dienstleistern
  • Zur Bereitstellung von Informationen und Hinweisen für Reisende u.a. durch Erstellung und Verbreitung eines Faltblattes
  • Zu jährlichen Berichten über durchgeführte Maßnahmen

Schlussfolgerungen

Was lässt sich nun aus den bisherigen Erfahrungen mit Verhaltenskodizes folgern?

  1. Grundsätzlich haben die Einhaltung elementarer Menschenrechte, nationaler Gesetze und gesetzlicher Regelungen, einschließlich der Bezahlung auf der Basis gesetzlicher Mindestlöhne nichts mit freiwilligen Sozialstandards und CSR zu tun – Verhaltenskodizes müssen immer einen deutlichen sozialen Mehrwert beinhalten. Mit öffentlichen Mitteln geförderte niederschwellige "Soft-Standards", die kaum über den Charakter sozialer Willensbekundungen von Unternehmen hinauskommen, sind kein hilfreiches Instrument für die soziale Entwicklung.
  2. Verhaltenskodizes sind daher kein Ersatz für staatliches Handeln und gesetzliche Regelungen. Andererseits können sie neue Impulse für die Durchsetzung bestehender und (noch) nicht umgesetzter Gesetze geben, bzw. Initiativkraft zur Schaffung neuer gesetzlicher Regelungen entfalten.
  3. Verhaltenskodizes können einen Imagegewinn bedeuten, der im Marketingbereich genutzt werden kann und soll. Auch für Sozialstandards gilt der gleiche unternehmerische "neue Pragmatismus" wie für die Standards im Umweltschutz: Sie werden unter dem Gesichtspunkt von Aufwand und Nutzen gesehen.
  4. Vereinbarungen zu sozialen Standards mit Unternehmensverbänden und Dachorganisationen sind nur sinnvoll, wenn anschließend Einzelunternehmen ebenfalls die verbindliche Übernahme der Standards unterzeichnen und unternehmensbezogene, konkrete Umsetzungsinstrumente und -schritte entwickelt werden.
  5. Verhaltenskodizes, die auf einer "Meta-Ebene" schweben und nicht in der Unternehmensphilosophie verankert sind, die von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf allen Unternehmensebenen nicht mitgetragen werden, bleiben letztlich unwirksam.
  6. Nach außen glaubwürdig und nach innen "nachhaltig" sind Verhaltenskodizes vor allem dann, wenn sie regelmäßig und unabhängig überprüft werden. Ein qualifiziertes, regelmäßiges Berichtswesen, das elementaren Standards des Monitorings entspricht, ist als Mindestanforderung unverzichtbar.
  7. Verhaltenskodizes sind einerseits wichtig, andererseits aber nur ein Instrument. Ihr Stellenwert und ihre Wirksamkeit ergibt sich aus der Verknüpfung mit weiteren Maßnahmen und Aktivitäten im gleichen Kontext. Ohne Einbindung in weitergehende gesellschaftspolitische Initiativen bleibt das Instrument "Verhaltenskodex" nur von begrenzter Wirkung. Schulungsarbeit nach innen und Kundensensibilisierung nach außen sind unverzichtbar für eine nachhaltige Implementierung und die Wirksamkeit von sozialen Standards.
  8. Verhaltenskodizes können unterstützende Instrumente für die Perspektiven der Entwicklungszusammenarbeit sein, vor allem, wenn sie sich neben Ressourcenschutz und Umweltverantwortung konsequent und verbindlich auf
    • Kinder- und Menschenrechte
    • Partizipation, Mitbestimmung und Geschlechtergerechtigkeit
    • Arbeits- und soziale Sicherheit
    • Ausbildung und existenzsichernde Einkommensmöglichkeiten konzentrieren.
  9. (10.166 Anschläge, 164 Zeilen, September 2005)