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Community-based Tourism in Lesotho

Eigenständig und selbstverantwortlich


Ausgerechnet am gefühlten Ende von Afrika, an den Flanken des Höhenzugs Thaba Putsoa, tut sich Vorbildliches: Im Malealea-Tal im Herzen Lesothos gelingt alternativer Tourismus gerade weil die Einheimischen integriert sind und vielfältig profitieren.

Ein bisschen stolz sei sie auch, gibt Matsepang Matsitsi zu. Vor allem aber ist sie froh, dass in ihrem Dorf etwas passiert. „Wir konnten doch nicht zu Hause herum sitzen und warten, bis es uns noch schlechter geht“, sagt sie. Also hat sie die Ärmel hochgekrempelt und gemeinsam mit anderen Frauen einen Lernzirkel gestartet. Dieser Anfang liegt nun fast sechs Jahre zurück. Heute florieren die Gärten in Tsinyane, der kleinen Ansammlung von etwa 50 Hütten tief unten im Malealea-Tal, auf halbem Weg hinunter zum Makhaleng-Fluss. Die Sandpiste hoch ins Dorf ist befahrbar, wenn auch nur für Fahrzeuge mit Allradantrieb. Der kleine Staudamm ist noch leer – warten auf den Regen. Ein spezielles Anbausystem mit runden, hoch gemauerten Beeten, das wenig Bewässerung erfordert, lässt dennoch das erste Gemüse reifen.

„Es ist erstaunlich, was diese Frauen hier geleistet haben“, freut sich Gillian Attwood. Sie betreut diese und zahlreiche andere Selbsthilfegruppen in der näheren Umgebung. Warum die Arbeit hier besonders gute Früchte trägt? „Die Frauen sind unheimlich motiviert. Nachdem auch der Häuptling des Dorfes sie offiziell unterstützt, macht die ganze Gemeinde mit“, erklärt die 39-Jährige Südafrikanerin. Mit einem leichten Leuchten in den Augen ergänzt Matsitsi: „Die Männer haben uns zu Beginn nicht ernst genommen, aber jetzt haben sie erkannt, dass sich hier etwas entwickelt. Jetzt helfen sie uns.“ Ihre Genugtuung über diesen Erfolg verheimlicht sie nicht.

Weitere Unterstützung kommt in Worten, Taten und finanziellen Zuschüssen vom Malealea Development Trust. Diese Treuhand vermittelt die Spenden, die Besucher der Malealea Lodge für die Bewohner des Tals zurücklassen. Auch ein Teil der Einnahmen aus dem Tourismusbetrieb fließt unmittelbar in den Topf. Ausgeschüttet wird nicht gemäß dem Gießkannenprinzip, sondern nach Bedürfnissen und bevorzugt an Projekte mit viel versprechender Perspektive. Gemeinschaftsgärten, Schulen, Trinkwasser in fußläufiger Entfernung: Die Liste der Projekte ist so umfangreich wie die Nöte der Bevölkerung. „Ohne den Trust wären die Menschen hier deutlich schlechter dran, keine Frage“, sagt Attwood. „Speziell der Tourismus wirft so viel Geld ab. Das ist großartig für uns.“

Tourismus ist in Malealea kein neues Phänomen. In zwanzig Jahren hat sich der Fremdenverkehr nach und nach gesteigert. In genau diesem organischen Wachstum sehen Attwood und Lodge-Besitzer Mick Jones die Basisqualität. „Geld, Ideen, Kontakte“ sind verfügbar, weil Gäste auf Pferden oder zu Fuß über das Hochplateau streifen. Und weil der Austausch direkt mit den Einheimischen erfolgt: Touristen sitzen nicht auf dem weichen Polster eines klimatisierten Reisebusses und verlassen ihren Komfortbereich auch nicht nur für fünfminütiges Fotoschießen. Sie sitzen – auf Wunsch – mit ihrem Allerwertesten auf dem harten Lehmboden in den mit Gras gedeckten und mit Kuhdung gemauerten Rundhütten der Basotho.

Manche machen diesem Tourismusprojekt den Vorwurf, den Alltag in Agonie auszustellen und damit Profit zu machen. Das sei ein entwürdigendes Spektakel auf Kosten derer, die sich nicht wehren können. Nur schämt sich niemand bei den Basotho, im Gegenteil: Fast alle haben begriffen, dass die zusätzlichen Möglichkeiten durch den Reiseverkehr gestiegen sind. Ob bei den Touristen der Grund für ein Almosen unreflektiertes Mitleid ist oder eine eitle Gebergleich-Gönner-Mentalität oder ehrliches Mitfühlen und Verständnis, das Alles wird unbedeutend, solange eine Gemüsepflanze, ein Huhn oder ein Sack Maismehl dabei heraus kommen. Wichtig ist, dass nicht eine einseitige Erwartungshaltung entsteht. Attwood ermahnt ihre Mitarbeiter, ermutigt sie zu Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit: „Vielleicht bekommt ihr mal etwas geschenkt oder gespendet. Aber wenn ihr selber arbeitet, könnt ihr euch kaufen, was ihr gerade jetzt benötigt.“

Es geht nicht ganz ohne finanzielle Hilfe von Außen. „Wie soll denn jemand ohne irgendwelche eigenen Ressourcen in diesem kargen Landstrich einen blühenden Garten aufbauen, der sich wirtschaftlich rentiert? Wie soll sich eine HIV/Aids-Gruppe ihre Fortbildungen und Unterrichtsmaterialien finanzieren?“ Die Devisen der Touristen werden dankend angenommen.

Also doch wieder das alte Stereotyp von Lesotho als einem Land, das absolut abhängig ist von großen Gönnern und fremder Leute Finanzierung? Attwood widerspricht. Die Symbiose von Tourismus und Entwicklungsarbeit sei ein probates Modell. „So wie hier kann es auch gut an anderen Orten funktionieren. Es benötigt harten Einsatz und viel Einfühlungsvermögen in die lokale Bevölkerung, aber es verspricht Erfolg.“

Von elementarer Wichtigkeit sei es, so viele Projekte wie möglich auf eigene Füße zu stellen. Deswegen sei der Bildungsansatz so wichtig, erklärt Attwood. „Den Bedarf reflektieren, Pläne ausarbeiten, Umsetzen und dann wieder Reflektieren“, das sind die Bausteine, mit denen sie gemeinsam mit den Basotho ein zukunftstaugliches Malealea bauen will. „Wir achten darauf, dass die Möglichkeiten richtig eingeschätzt werden, dass die Entwicklungs- und Lernkonzepte die einheimischen Kulturen und Traditionen berücksichtigen, und dass so viel wie möglich in Eigenregie geleistet wird.“

Sie selbst genießt höchstes Ansehen in den Dörfern. In fließendem Sesotho parliert Attwood mit den Einheimischen, diskutiert Sorgen und Nöte, kennt Stärken und Schwächen ihrer Schützlinge. „Sie spricht unsere Sprache, ist eine von uns“, heißt es in Malealea. Sie hat Geduld gehabt und sich bei den stolzen und traditionsbewussten Basotho durchgesetzt. Doch Gillian Attwood wird nicht ewig bleiben. Ein weiteres Anliegen lautet daher, bei den Einheimischen Schnittstellen zu kreieren, an die Hilfsprojekte leicht anknüpfen können. Hier soll fremde Unterstützung, wenn sie denn kommt, auf fruchtbaren Boden fallen und schnell Erträge einfahren. Da viele Geber nicht mit Individuen zusammenarbeiten, etablieren die Dörfer Netzwerke wie den Gemeinschaftsgarten in Tsinyane. So machen sie sich unabhängig von den Einnahmen, die Einzelne aus dem Tourismusbetrieb haben. Direkt profitieren mehr als 20 Festangestellte, 60 Führer und 30 Pferdeverleiher. Um den Neid gleich im Keim zu ersticken, verteilt ein Plan die Arbeit auf viele Schultern, und alle kommen mehr oder weniger gerecht zu ihrem Einkommen. Sie ernähren sich und ihre Familien durch den Lodgebetrieb. Gemeindegärten, bessere Klassenräume oder die Angebote der Erwachsenenbildung wiederum helfen allen. Für ihr gutmenschliches Arbeiten ist die Malealea Lodge mehrfach prämiert worden. Die Mitarbeiter des Malealea Development Trust freuen sich über die Anerkennung. Und angemessenen Stolz über ihre Leistungen können auch sie nicht ganz verbergen.

Jürgen Koers bereiste Lesotho als Stipendiat der Heinz-Kühn-Stiftung. Zurzeit arbeitet er bei den Ruhr Nachrichten in Dortmund. Zuvor war es als freier Autor beim NDR in Hamburg tätig und studierte Sportwissenschaft, Medien und Journalistik.

(7.195 Anschläge, 92 Zeilen, Dezember 2007)