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Alles was Recht ist

Für einen Menschenrechtsansatz im Tourismus


Alle, die am Tourismus beteiligt sind, müssen ihren nach dem internationalen Menschenrechtsrahmen bestehenden Pflichten nachkommen. Sie sind verpflichtet ihren Teil dazu beizutragen, dass die Menschenrechte der Bevölkerung in den Zielge­bieten und die der Beschäftigten im Tourismus vollumfänglich respektiert, geschützt und gewährleistet werden. Dies fordert EED-Tourism Watch in einer neuen Studie, die deutlich macht, wie im Zusammenhang mit touristischer Erschließung oder Entwicklung in vielen Teilen der Welt fundamentale Menschenrechte missachtet werden.

Unter dem Titel "Alles was Recht ist - Menschenrechte und Tourismus" zeigt die Studie, dass sowohl bürgerliche und politische als auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Tourismus nicht immer gewährleistet sind. Menschenrechte können ganz direkt verletzt werden, zum Beispiel wenn Fischer durch Hotelanlagen vom Strand verdrängt werden und damit ihre Lebensgrundlage verlieren. Oder die Menschenwürde und Privatsphäre wird missachtet, wenn indigene Bevölkerungsgrup­pen wie beispielsweise burmesische Karen-Flüchtlinge in Thailand zu "Schauobjekten" für Touristen werden.

Auch die Beschäftigten im Tourismus können betroffen sein. Zuweilen sind Bezahlung und Arbeitsbedingungen so schlecht, dass das in Artikel 7 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte festgelegte Recht auf menschenwürdige Arbeit sowie die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeits-organisation (ILO) verletzt werden. Die Arbeit der Träger, die auf Bergtouren im Himalaya, in den Anden oder am Kilimandscharo das Gepäck der Touristen schleppen, ist in vielen Fällen gesundheitsgefährdend. Auch Kinderarbeit ist in armen Ländern keine Seltenheit, weltweit arbeiten schätzungsweise 13-19 Millionen Kinder in der Gastronomie und im Tourismus.

Nicht nur direkt, auch indirekt verletzt der Tourismus Menschenrechte. Der durch den Flugverkehr wesentlich mitverursachte Klimawandel gefährdet die Ernährungssicher­heit, Gesundheit und das Überleben von Millionen Menschen. "Falsche Lösungen" im Klimaschutz - Agrotreibstoffe, auf die auch die Luftfahrtindustrie setzt und deren Anbau in direkter Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln steht - tragen zusätzlich dazu bei. Das Recht auf Nahrung ohnehin schon benachteiligter Bevölkerungsgruppen kann dadurch ganz erheblich beeinträchtigt werden. Deshalb, so fordert Tourism Watch, müssen alle Akteure in Politik und Tourismuswirtschaft ihren Teil dazu beizutragen, diese Bedrohungen durch geeignete Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen abzu­wenden. Die Bundesregierung wird aufgefordert darauf hinzuwirken, dass die Touris­muswirtschaft ihre CO2-Emissionen reduziert.

Pflicht des Staates: Menschrechte achten - schützen - gewährleisten

Welche Bedeutung das menschenrechtliche Instrumentarium im Tourismus hat, wird anhand wichtiger Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und anderer Übereinkommen und Erklärungen der Vereinten Nationen deutlich. In erste Linie sind es die Staaten, die in der Pflicht sind. Sie haben Menschenrechtsverletzungen zu unterlassen (Achtungspflicht), die Menschenrechte vor Übergriffen Dritter - auch der Tourismuswirtschaft - zu schützen (Schutzpflicht) und für ihre volle Verwirklichung Sorge zu tragen (Gewährleistungspflicht). Regierungen müssen die entsprechenden Gesetze, Bestimmungen und Planungsvorschriften erlassen und dafür sorgen, dass sie auch umgesetzt werden.

"Due diligence" der Tourismuswirtschaft

Tourismusunternehmen haben zwar nicht die gleichen Pflichten wie die Staaten, Menschenrechte zu schützen und zu gewährleisten, doch sie müssen sie in jedem Fall respektieren. Sie dürfen zum Beispiel ihre Mitarbeiter nicht ausbeuten oder lokalen Gemeinschaften das Trinkwasser abgraben. Auch dürfen sie diese so überlebenswichtige Ressource nicht verschmutzen. Um ihrer Verantwortung gerecht zu werden, müssen Unternehmen "due diligence" - die erforderliche Sorgfalt - walten lassen. Laut John Ruggie, dem Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für Menschenrechte und multinationale Unternehmen, heißt das: Unternehmen müssen nicht nur sicherstellen, dass sie nationale Gesetze achten, sondern auch Risikomanagement betreiben, um Menschenrechtsverletzungen zu vermeiden. Die erforderliche Sorgfalt erstreckt sich über die gesamte Wertschöpfungskette.

Zwar sind Unternehmen nicht immer in der Lage, problematische Praktiken vorherzusehen. Doch Reiseveranstalter können und sollten zum Beispiel darauf achten, ob ihre Partnerhotels in den Zielgebieten angemessene Löhne zahlen, schriftliche Arbeitsverträge bieten, bezahlten Urlaub und Fortbildungsmöglichkeiten gewähren, Gewerkschaften zulassen und sich aktiv für den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung einsetzen. Zwar lassen sich Vertragspartner kaum umfassend kontrollieren, doch müssen Reiseveranstalter angemessene Maßnahmen ergreifen, um Komplizenschaft zu vermeiden und Menschenrechtsverletzungen in den Urlaubs-gebieten nicht ungewollt Vorschub zu leisten. Die Hotellerie- und Tourismusverbände sind aufgefordert, Anreize und Sanktionen zu schaffen, damit ihre Mitglieder menschenrechtliche Standards erfüllen und weiterentwickeln.

Oft geschehen Menschenrechtsverletzungen bereits bevor der Tourismus überhaupt richtig Fuß fasst. Bevor sie investieren sollen Investoren daher unabhängige Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen durchführen lassen, um nega­tive Auswirkungen ihrer Projekte im Vorfeld auszuschließen.

Herausforderungen für die Bundesregierung

Auch die Bundesregierung muss sicherstellen, dass sie keine Tourismusentwicklung unterstützt, die die Menschenrechte aufs Spiel setzt. Sie muss die Zuständigkeiten für Menschenrechtsfragen im Tourismus klären und Kohärenz herbeiführen. Der Tourismus muss in die Menschenrechtsdebatte der Bundesregierung einbezogen wer­den. Die Bundesregierung muss die im Ausland tätigen deutschen Unternehmen auf ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen hinweisen und sie bei deren Einhaltung un­terstützen. Zuwiderhandlungen müssen sanktioniert werden können. In der Europäi­schen Union besteht eine Regelungslücke bezüglich Menschenrechten und Unter­nehmensverantwortung. Die EU ist deshalb gefordert diese Lücke zu schließen, indem sie entsprechende Haftungs- und Berichtspflichten für Tourismusunternehmen einführt.

Ein deutlicher Menschenrechtsansatz schafft eine Handhabe, schädliche Auswirkungen des Tourismus zu mindern. Betroffene werden als Inhaber von Rechten ernst genommen und gestärkt. Die Menschenrechtskonventionen und -erklärungen stellen einen internationalen Standard für Würde, Anstand und gegenseitigen Respekt dar - wesentliche Bestandteile eines jeden wirklich nachhaltigen Entwicklungsansatzes, auch im Tourismus.

"Alles was Recht ist - Menschenrechte und Tourismus". Hg. Evangelischer Entwicklungsdienst (EED) Tourism Watch, Bonn, 2011.

Download:http://www.tourism-watch.de/files/Alles_was_Recht_ist.pdf

Eine Zusammenfassung der Forderungen und Empfehlungen finden Sie bald auf der TourismWatch-homepage.

(7.098 Anschläge, 97 Zeilen, März 2011)