Nr. 95 Tourismus und Landraub (02/2019)
Die Tourismusbranche wirbt mit Bildern von einsamen Inseln, kilometerlangen Stränden und weitläufigen Nationalparks – weit und breit ist kein Mensch in Sicht. Doch haben Sie sich schon einmal gefragt, wie diese Orte aussahen, bevor der Tourismus dort Einzug hielt? Wer hat dort gelebt und wo sind die ursprünglichen Bewohnerinnen und Bewohner von beliebten Urlaubszielen heute? Stellt man sich diese Fragen, dann gerät die heile Kulisse schnell ins Wanken.
Überall auf der Welt befeuert der Tourismus Landkonflikte. Im Namen der Tourismusentwicklung geraten lokale Fischer, Kleinbäuerinnen und Handwerker unter Druck. Regierungen, Investoren und Tourismusunternehmen legitimieren Landraub und Verdrängung mit Argumenten wie der Wirtschaftsförderung oder dem Schutz von Natur und Kultur. Das zeigt eine von Tourism Watch in Auftrag gegebene Studie. Ihr Autor Andreas Neef hat 25 Fälle aus dem Globalen Süden untersucht. Im Interview dieser Ausgabe stellt er die Kernergebnisse vor.
Der Beitrag aus den Philippinen zeugt vom harten Kampf der indigenen Ati, ihre Landrechte gegen das ungebremste Tourismuswachstum und wirtschaftliche Interessen zu verteidigen. Welche dramatischen Folgen die Verdrängung für die Lebensgrundlage der Betroffenen hat, verdeutlicht auch das Beispiel der San im südlichen Afrika, die bis heute mit Marginalisierung kämpfen. Beiträge aus den Malediven und Jerusalem belegen, dass der Tourismus leicht instrumentalisiert wird, weil Zugang zu Land auch immer Zugang zur Macht bedeutet.
Es ist also höchste Zeit, dem Thema Landraub und Vertreibung im Namen des Tourismus mehr Aufmerksamkeit in der Tourismuswirtschaft und -politik zu verschaffen. In unserer Podiumsdiskussion am Mittwoch, den 6. März um 16 Uhr auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin werden wir mit Expertinnen und Experten diskutieren, wie die einzelnen Akteure in der Verantwortung stehen. Wir laden Sie herzlich zu unserer Veranstaltung in Halle 4.1 auf der großen Bühne ein und freuen uns auf den direkten Austausch mit Ihnen an unserem Stand mit der Nummer 257 in Halle 4.1. der Messe Berlin.
Tourismus, Landraub und Verdrängung im Globalen Süden
Die Untersuchung von 25 Beispielen von Andreas Neef zeigt: Landraub und Verdrängung durch Tourismus sind kein Einzelfall, sondern ein systematisches Risiko der Tourismusentwicklung. Im Interview stellt er die Kernergebnisse seiner Studie vor.
Die dunkle Seite des Lebens
Lange galt der Tourismus auf den Malediven als Motor für den wirtschaftlichen Aufschwung. Doch nur ein kleiner Kreis profitiert von der exzessiven Tourismusentwicklung auf unbewohnten Inseln.
Das verlorene, wiedergewonnene Paradies: Verkauft!
Unkontrolliertes Tourismuswachstum drängt die indigenen Ati ins Hinterland der philippinischen Insel Boracay. Unermüdlich setzen sie sich gegen die Verletzung ihrer Landrechte zur Wehr.
Mit Tourismus die Kontrolle über Land zurückgewinnen?
Wenn die San im südlichen Afrika Tourismusprojekte selbst verwalten, können sie ihre kulturelle Identität bewahren und ihre Landrechte stärken.
Stadt der Völker, Stadt der Nationen
In alternativen Stadtführungen zeigt Ir Amim, wie touristische Attraktionen in Ost-Jerusalem politisch instrumentalisiert werden.
Illegale Landgeschäfte auf den Malediven enthüllt
Das "Organized Crime and Corrpution Reporting Project” deckt Korruption beim Verkauf von Inseln in den Malediven auf.
Amnesty International-Bericht zur Rolle des Tourismus in den Palästinensischen Gebieten
Airbnb, TripAdvisor und weitere Online-Plattformen listen Unterkünfte und Attraktionen in völkerrechtswidrig besetzten palästinensischen Gebieten, zeigt Amnesty International.
Menschenrechtsrisiken erkennen
Der Roundtable Human Rights in Tourism bietet ein Online-Tool, mit dem kleinere Reiseveranstalter ihre Menschenrechtsrisiken systematisch einschätzen können.
Studie zum Thema “Overtourism“ in der EU erschienen
Die Studie untersucht die Auswirkungen von Overtourism und zeigt Maßnahmen auf, um ihnen entgegenzuwirken.
Künstliche Intelligenz soll bei der Strafverfolgung von Menschenhandel helfen
Ein Datensatz von rund einer Million Fotos aus über 50.000 Hotels soll helfen den Drahtziehern des internationalen Menschenhandels auf die Spur zu kommen.
Klima-Kollekte entwickelt die App „Klimafreundlich Mobil“
Die kostenlose App berechnet mobilitätsbedingte CO₂-Emissionen und zeigt klimafreundliche Alternativen auf.
Voluntourismus auf dem Berlin Travel Festival
Am Sonntag, den 10. März geben ECPAT Deutschland und Tourism Watch Impulse für verantwortliche Voluntourismus-Einsätze.
Tourismus in Berlin - Wie viel Tourismus verträgt eine wachsende Stadt?
Am 14. März diskutieren Expertinnen und Experten über Strategien für die zukünftige Gestaltung des Tourismus in Berlin.
Fachkonferenz zur Messung von Nachhaltigkeit im Tourismus
Am 2. und 3. April widmen sich Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Praxis der Frage, wie sich Nachhaltigkeit in der deutschen Tourismusindustrie messen lässt.