Nr. 102 Corona und Arbeitsplätze im Tourismus (09/2020)

Wäre Corona keine grenzüberschreitende, sich unsichtbar verbreitende Gesundheitsgefahr, sondern eine extrem langanhaltende Regenphase, würde der Ferntourismus boomen und die Gartenmärkte würden leiden. Das Gegenteil ist der Fall – aber das Gedankenspiel macht deutlich, dass die Betroffenheit von Branchen und Wirtschaftssektoren eher zufällig ist.
Stellen wir die Menschen und nicht die Wirtschaftssektoren in den Mittelpunkt, dann zeigt sich aber, dass das Virus nicht alle Arbeitenden gleichermaßen trifft und dass es erst recht kein Zufall ist, welche Menschen besonders häufig erkranken: es gibt eine Pyramide der Betroffenheit – wenige ganz oben, die eher gut bezahlt und sicher ins Home Office wechseln konnten und viele, die oft schlecht bezahlt sind und kaum Möglichkeiten haben, Distanz zu Kund*innen, Kolleg*innen und Patient*innen zu halten.
Auch im Tourismus gilt: Je weiter runter es in der Hierarchie der Arbeit geht, umso gefährlicher und existenzbedrohender wird es. Die Arbeitskette des Tourismus ist lang und hat alles zu bieten: Von hochbezahlten Managern und Unternehmensgründerinnen, über die Millionen von Menschen, die oft unsichtbar als Angestellte von Leiharbeitsfirmen Hotelzimmer reinigen, bis zu den ungezählten Menschen im informellen Sektor, die jeden Tag versuchen – ob als Rikschafahrer*innen oder Strandverkäufer*innen - ihre Chance zu nutzen, ein paar Cent oder Dollar im Tourismus zu verdienen.
Dieser Tourism Watch ist all denen gewidmet, die im Tourismus arbeiten – und sich im Moment existenziell fragen, wie es weitergehen kann. Wir schauen zu den oft immer noch festsitzenden philippinischen Seeleuten und auf die Situation anderer internationaler Arbeitsmigrant*innen, die ihre Jobs verlieren und zu oft ohne Zugang zu Sozialsystemen in der Fremde stranden. Wir erfahren etwas über den Hunger und die Verzweiflung von Millionen Inder*innen im informellen Sektor und lernen Frauen aus Kolumbien, Thailand und Südafrika kennen, die trotz aller Widrigkeiten im Tourismus weitermachen wollen. Und wir schauen auf den Safaritourismus in Afrika: Hier ist der Erhalt von Arbeitsplätzen und die Lohnfortzahlung nicht nur existenziell für die betroffenen Menschen und ihre Familien, sondern auch die Basis für den Schutz von Wildtieren und damit langfristig für das Geschäftsmodell – damit es auch nach Corona noch Safaritourismus geben kann.
Philippinische Seeleute fordern mehr Rechte
COVID-19 hält Seefahrer weltweit auf ihren Schiffen fest - unter ihnen viele Menschen von den Philippinen. Sie sind mit unzureichenden Hygienemaßnahmen, finanziellen Schwierigkeiten und drohender Arbeitslosigkeit konfrontiert.
Migrant*innen im Tourismus in der Corona-Krise
Im Interview erläutert Christiane Kuptsch, Migrationsexpertin bei der Internationalen Arbeitsorganisation, inwiefern die Krise des Tourismus arbeitende Migrant*innen besonders trifft und welche Unterstützung ihnen helfen würde.
Von der leeren Hand in den Mund
In Indien ist der informelle Sektor durch die COVID-19 Pandemie besonders hart getroffen. Eine Studie gewährt nun Einblicke in die Lebenssituationen von Millionen Menschen, die sonst oft unsichtbar bleiben.
Frauen zuerst
Frauen dominieren die Tourismusbranche. Doch COVID-19 zeigt: Die Pandemie trifft weibliche Beschäftigte in der Reisebranche besonders hart. Schuld daran sind strukturelle Ungleichheiten.
Wilderei in der Pandemie
Tierschützer*innen und NGOs berichten, dass Wilderei in Zeiten des Pandemie-Lockdowns zunimmt. Grund dafür könnten auch fehlende Einnahmen aus dem Tourismus sein.
Investoren reagieren besorgt auf die Situation von Arbeitsmigrant*innen
Immer genauer schauen Investoren hin, welche Auswirkungen ihre Geldanlagen haben. Nun reagiert einige besorgt auf Berichte zu gravierendsten Arbeitsrechtsverstöße gegenüber Wanderarbeitenden in der Golfregion.
Studie: Arbeitsmigrant*innen in der Tourismuswirtschaft
Das Center for Global Development hat einen zusammenfassenden Artikel über die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf Arbeitsmigrant*innen in der Tourismusbranche herausgegeben.
Seminarvideo: Resilienz im gemeindebasierten Tourismus
Mit inspirierenden Beiträgen wurde im internationalen Online-Seminar der Transforming Tourism Initiative über alternative Tourismusmodelle im Hinblick auf mehr Resilienz gegenüber Krisen diskutiert.
8.9.2020: Online-Seminar - Prekäre touristische Arbeitsplätze
Im internationalen Online-Seminar diskutieren Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft über die prekäre Situation vieler touristischer Arbeitsplätze - vor und während Corona.
28.9.2020: Internationales Symposium "Beyond the crisis"
Der Roundtable Human Rights in Tourism lädt am 28. September zum Symposium “Beyond the crisis: How to create social benefit and resilience in tourism” ein.