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Touristische Großinvestitionen im südlichen Mexiko

Megaprojekt verletzt Rechte der Bevölkerung


Im Rahmen des zentralamerikanischen Entwicklungsvorhabens "Plan Pueblo Panamá" plant die Regierung Mexikos ein umfassendes Tourismusprojekt im Norden des Bundesstaates Chiapas. Die indigene Bevölkerung der betroffenen Gebiete wurde nicht in die Planung einbezogen und setzt sich zur Wehr.

Der Plan Puebla Panamá (PPP) ist ein gigantisches Vorhaben zur "wirtschaftlichen Entwicklung des zentralamerikanischen Raums" zwischen Mexiko und Kolumbien. Er sieht insbesondere den Ausbau des regionalen Industrie- und Rohstoffsektors, des Handels und des Tourismus vor. Ein Schlüsselelement für seinen Erfolg ist die Erweiterung der bestehenden Infrastruktur. Riesige Investitionen in Straßen, Flughäfen, Eisenbahnlinien, Häfen, Telekommunikation und Stromversorgung sind vorgesehen. Ein Großteil der anfallenden Kosten wird von der Weltbank, der Interamerikanischen Entwicklungsbank und den Regierungen getragen. Auch die EU unterstützt den Plan mit mehreren hundert Millionen Euro.

Im Rahmen des PPP soll der Tourismussektor ausgebaut und teilweise privatisiert werden. Das Projekt "Mayawelt" dient der Suche nach nationalen und internationalen Investoren und der Vermarktung einer Destination, die das südliche Mexiko, Belize, Guatemala, El Salvador und Honduras umfasst. Dem mexikanischen Bundesstaat Chiapas wird ein riesiges Marktpotenzial für den "Öko- und Kulturtourismus" zugeschrieben, doch es wird beklagt, dass dafür die nötige Infrastruktur fehle. Schon seit einiger Zeit sind fragwürdige "Ökotourismusprojekte" im Entstehen. Gemäß lokalen Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen haben diese jedoch wenig mit dem Schutz der Natur zu tun und gehen oft mit der Vertreibung von traditionellen Landnutzern einher. Nun sollen verschiedene Maya-Stätten privatisiert und intensiver in Wert gesetzt werden.

Das Cancún von Chiapas

Das vom Nationalfonds für touristische Entwicklung (FONATUR) ausgearbeitete Projekt "Integral geplantes Zentrum Palenque-Agua Azul" (Centro Integralmente Planeado Palenque-Agua Azul, CIPP) sieht vor, im Norden von Chiapas ein "neues Cancún" zu schaffen. Mit internationalen Hotelketten wird ein 21.000 Hektar umfassendes Gebiet "entwickelt". Vorgesehen ist der Bau von großen, exklusiven Hotels mit 5.710 Zimmern bei der historischen Maya-Stätte Palenque sowie die Schaffung einer Kapazität von 1.260 Zimmern bei den berühmten Wasserfällen von Agua Azul, wo nebst Öko-, Abenteuer- und Sporttourismusangeboten inklusive einer Golfanlage ein "Naturthemenpark" und eine Reihe von Einkaufsmöglichkeiten entstehen sollen. Hinzu kommen weitere 780 Zimmer für den Wassertourismus im Feucht- und Seengebiet von Catazajá.

Zur besseren Erschließung des Gebiets sind der Ausbau des Flughafens von Palenque oder gar der Bau eines neuen internationalen Flughafens und der Bau einer Autobahn von San Cristóbal de las Casas nach Palenque vorgesehen. Mit geschätzten 5,134 Milliarden Pesos (ca. 314 Millionen Euro) ist sie das kostenintensivste Megaprojekt auf nationaler Ebene. Die Bauarbeiten begannen 2010 in San Cristóbal.

Indigene Gemeinden befürchten negative soziale und Umweltauswirkungen

Die gesamte Tourismusregion "Palenque-Agua Azul" umfasst das Gebiet von sechs politischen Gemeinden und weist eine Fläche von insgesamt 58.490 Hektar auf. Dabei handelt es sich zum Teil um indigenes Gemeinschaftsland. Gemäß FONATUR schafft das unter seiner Federführung geplante Projekt gut bezahlte Arbeitsplätze, welche die extreme Armut bekämpfen und die regionale Entwicklung fördern – insbesondere indigene Gemeinschaften würden davon profitieren. Die geplante Autobahn bringe Fortschritt für über eine halbe Million Einwohner.

Große Teile der betroffenen Bevölkerung stehen dem Projekt jedoch kritisch gegenüber und setzen sich mit verschiedenen Mitteln des zivilen Widerstands zur Wehr: Petitionen an Behörden, Aufrufe an die internationale Solidarität, Publikation kritischer Berichte in alternativen Medien, regionale Foren und Straßenblockaden. Wie die von der Regierung in Auftrag gegebene Umweltverträglichkeitsstudie zur Autobahn festhält, wurden die Einheimischen weder transparent über das Vorhaben und seine möglichen sozialen und Umweltauswirkungen informiert, noch dazu konsultiert. Dies verunmöglicht es ihnen auch, dem Projekt ihre "informierte Zustimmung" zu geben, wie das Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über eingeborene und in Stämmen lebende Völker es vorsieht.

Die betroffenen Gemeinden fürchten nicht nur, dass es im Zuge des Autobahnbaus und des Flughafenausbaus zu Umsiedlungen kommt. Sie verstehen die Autobahn als eine "Speerspitze" für die Enteignung ihres Gemeinschaftslandes zugunsten von Hotel- und Tourismusanlagen. In einigen Fällen würde dies auch bedeuten, dass seit Jahren erfolgreich betriebene, umweltverträgliche Tourismusprojekte, die der ganzen Gemeinschaft Einkommen verschaffen, zu Fall gebracht würden. Mexikanische Menschenrechtsorganisationen beklagen seit längerem, in verschiedenen Gemeinden mit hohem Potenzial für touristische Projekte würden soziale Konflikte bewusst geschürt oder ausgenutzt, um das Terrain für eine Änderung der Besitzverhältnisse vorzubereiten, und der zivile Widerstand werde kriminalisiert.

Betroffene müssen in Entwicklungsvorhaben einbezogen werden

Das "Integral geplante Zentrum Palenque-Agua Azul" ist ein weiteres Beispiel dafür, dass touristische Großprojekte mit dem Anspruch, die regionale Entwicklung zu fördern sowie Arbeitplätze und Einkommen zu schaffen, die Entwicklungsvorstellungen der jeweiligen Lokalbevölkerung weitgehend außer Acht lassen. Gerade indigene Völker haben eigene Wertvorstellungen und eine eigene Vision bezüglich ihrer Entwicklung. Diese beruhen nicht nur auf wirtschaftlichen Faktoren, sondern beziehen auch gesellschaftliche, kulturelle und spirituelle Aspekte ein. Für die Planung von regionalen Entwicklungsvorhaben ist ein kontinuierlicher, transparenter Dialog- und Konsultationsprozess zwischen Behörden, Unternehmen und Bevölkerung unabdingbar. "Wenn Gemeinschaft und Umwelt nicht berücksichtigt werden und so nicht auf den Erhalt der Kultur und Natur hingearbeitet wird, kann sich das CIPP als kontraproduktiv erweisen. Wenn eine Gemeinde Touristen aufnehmen soll und ihr dadurch ihre Landschaft, ihre Wurzeln und die Ruhestätten ihrer Toten entrissen werden, ist ihr Unbehagen sehr groß", warnt Loreto Coronado Moreno, Lehrbeauftragter für den Bereich Tourismus an der Universidad Autónoma Indígena de México (Autonome Indigene Universität Mexikos).

Jacqueline Hefti ist Redakteurin beim Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung (akte) in Basel.

Weitere Informationen:www.fairunterwegs.org

(6.616 Zeichen, 89 Zeilen, September 2012)