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Peru: Tourismus in Händen von Dorfgemeinschaften

Bis an die Graswurzeln?


„Community-based tourism“, ein Tourismus, den Dorfgemeinschaften selbst organisieren, wird immer beliebter. Er gilt als ein Weg, um durch den Massentourismus entstandene, krasse Ungleichheiten anzugehen. Am Massentourismus wird schon seit langem kritisiert, dass er die einheimischen, indigenen Bevölkerungsgruppen ausschließt. Zugleich wird ihr 'exotisches' Image genutzt, um Zielgebiete mit Kultcharakter wie Peru zu bewerben.

Seit fast 40 Jahren gibt es auf den Inseln Taquile und Amantani im Titicaca-See Tourismusinitiativen, die in den Händen der Einheimischen sind, und in vielen Teilen des Landes entstehen ähnliche Projekte. Wie die Erfahrungen aus Peru zeigen, hilft Tourismus, der von Dorfgemeinschaften selbst organisiert wird, zwar denen, die von der Tourismuswirtschaft marginalisiert werden, doch er nützt tendenziell stärker den Privilegierten, so dass Ungleichheit an der Basis keineswegs automatisch verringert wird.

Ländliche Idylle

Als westliche Touristen sehen wir in indigenen Gemeinschaften das, was sie von uns zu unterscheiden scheint. Wir betrachten uns selbst als durch Geld und Individualismus korrumpiert und die einheimische Bevölkerung als „rein“ und spirituell. Es ist schön, an eine harmonische, ländliche Idylle zu glauben, in der die Menschen arm sind, aber glücklich, und gemeinsam daran arbeiten, ihr Leben zu verbessern. Ein US-amerikanischer Tourist, der auf seiner Trekking-Route entlang des Inca Trails in der Nähe von Cuzco zahlreiche Dörfer besuchte, erzählt: „Die Menschen hier sind toll. Sie haben so wenig, doch sie haben so viel zu geben. Ich habe viel von ihnen gelernt, über Dankbarkeit und Freundschaft. Das hat meine Sichtweise von Armut verändert. Uns, die wir in den großen Städten leben, fehlt es so sehr an Spiritualität, die diese Menschen jedoch im Überfluss haben.“

Ärger im Paradies

Zwar stimmt es, dass viele Dorfgemeinschaften in den Anden ihre Traditionen der gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung und der Gemeinschaftsarbeit aufrechterhalten. Doch daraus folgt nicht, dass in diesen Gemeinschaften alle Menschen gleich sind. Ein Schweizer Tourismusberater, der im Süden Perus arbeitet, formuliert das so: „Dorfgemeinschaften sind sehr schwierig, denn sie sind eben nicht diese unberührte Welt, in der noch alles in Ordnung ist.“ Sie sind oft sehr hierarchisch strukturiert und die Trennungen verlaufen entlang der wirtschaftlichen Situation, des Bildungsstands und Familienhintergrunds und des Geschlechts. Auch wenn der Tourismus von Dorfgemeinschaften selbst organisiert wird, verstärkt er diese Ungleichheiten, denn er baut auf bestehenden Machtstrukturen auf und integriert die Dorfgemeinschaften in den freien Markt.

Reisebüros, Reiseveranstalter und Nichtregierungsorganisationen arbeiten mit den besser gestellten, besser vernetzten und höher gebildeten Mitgliedern einer Gemeinschaft zusammen. Typischer Weise sind dies führende Persönlichkeiten des Dorfes und ihre Familien. Der Grund dafür ist, dass Touristen bestimmte Anforderungen an Komfort, Hygiene und Betreuung stellen. Reichere Gruppen im Dorf haben das Geld, um in die Verbesserung ihrer Angebote für Touristen zu investieren. Sie verfügen auch über die nötigen Sprachkenntnisse und gesellschaftlichen Fähigkeiten der Interaktion, um mit Touristen, Reisemittlern und Nichtregierungsorganisationen umzugehen. Ein peruanischer Reisejournalist und Fernsehmoderator bezeichnet das Bildungsniveau der Mitglieder einer Dorfgemeinschaft als entscheidend für den Erfolg von Tourismusprojekten: „Das Bildungsniveau macht für die Dienstleistungsqualität einen großen Unterschied aus. Auch die Sprachkenntnisse sind wichtig und gebildete Menschen sind besser in der Lage, eine unternehmerische Vision zu entwickeln. Es scheint sehr einfach aber wahr zu sein: das Bildungsniveau bestimmt den Erfolg eines Projektes.“

Ein Ergebnis ist, dass weniger erfolgreiche Mitglieder der Gemeinschaft außen vor bleiben oder auf niederen Ebenen ins Tourismusgeschäft integriert werden. Sie bestellen die Felder und reinigen die Häuser derjenigen, die sich um die Touristen kümmern. Eine peruanische Aktivistin, die sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung einsetzt, kommentiert, was sie auf der Insel Taquile beobachtet hat – in einer Gemeinschaft, die in Peru lange als Modell für einen Tourismus hochgehalten wurde, der von der Gemeinschaft selbst gesteuert wird. „Ich hatte die Vorstellung, Taquile sei eine indigene Dorfgemeinschaft, die autark ist, die den Tourismus selbst steuert – zum Nutzen der Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit. Doch als ich sie kürzlich besuchte, stellte ich fest, dass der freie Markt auch dort Einzug gehalten hatte. Denn einige Familien waren erfolgreich und haben Kunsthandwerksgeschäfte, Restaurants und Unterkünfte errichtet, die auch wachsen, doch es gibt einen anderen Teil der Gemeinschaft, der für diese Restaurants nur das Wasser trägt oder die Zimmer putzt. Das ist also so, als hätten sie auch das verloren, was sie vorher hatten.“

Die zusätzliche Arbeit im Haushalt, die geleistet werden muss, um die Touristen zu versorgen, wird von Frauen geleistet, denen aufgrund von Traditionen und ihrer fehlenden Bildung Führungsrollen versagt bleiben. Einige der Frauen, die an einem von der Gemeinschaft organisierten Tourismusprojekt im Norden Perus beteiligt sind, meldeten ihren Wunsch an, auch in der Verwaltung von Tourismusprojekten mitzuarbeiten. Doch es machte ihnen Sorgen, dass sie kein Spanisch beherrschten oder nicht gut genug lesen und schreiben konnten. Sie konnten nicht an Trainingsprogrammen und Treffen teilnehmen, die von einer Nichtregierungsorganisation organisiert wurde, denn aufgrund ihrer Pflichten im Haushalt können sie ihr Dorf nicht verlassen. Außerdem gilt für Frauen als gefährlich, außerhalb ihres vertrauten Umfeldes unterwegs zu sein.

Konflikte

Es ist hart, in der freien Marktwirtschaft Geschäfte zu machen. Die verantwortungsvolleren Reiseveranstalter handeln mit den Gemeinschaften einen Preis aus und halten sich daran, doch skrupellose Reisemittler werfen diese Vereinbarungen über den Haufen. Es wird ihnen oft vorgeworfen, sie würden bestimmte Familien im Vergleich zu anderen bevorzugen und dafür Preisnachlässe bekommen. Das drückt die Preise und führt zu Konflikten unter den Mitgliedern der Gemeinschaft. Doch nicht alle haben Zugang zu besseren Reiseveranstaltern, und diejenigen, die am Tourismus teilhaben wollen, vielleicht aber nicht über die nötigen Kontakte oder die nötige Ausbildung verfügen, akzeptieren niedrigere Preise. Ein Dorfvorsteher einer indigenen Dorfgemeinschaft erklärte die Situation auf der Insel Taquile mit den folgenden Worten: „Es ist ein freier Markt, eine Gemeinschaft oder Organisation sollte standfest bleiben und konsequent für alle einen einheitlichen Preis anbieten. Doch es kommen Reisemittler und zerstören dieses System. Alles ändert sich und das führt zu Neid und Konflikten.“

Oft haben nur eine Handvoll Familien Interesse, mit staatlicher Unterstützung oder der Hilfe von Nichtregierungsorganisationen ein Tourismusprojekt aufzuziehen. Erst wenn langsam Touristen eintreffen, wollen mehr Menschen daran teilhaben. Ein Dorfvorsteher und Projektleiter aus einem Projekt in der Nähe von Cusco meint, dass neue Gruppen keine Touristen empfangen sollten, weil sie nicht über die entsprechenden Qualifikationen verfügen: „Andere Gruppen beginnen sich zu organisieren und wollen auch Touristen bei sich aufnehmen, ohne jedoch darin ausgebildet zu sein. Sie kopieren, was wir tun, aber das nützt nichts, sie haben nicht die Qualifikationen, sie improvisieren, das ist eher schlecht.“

Die Vorteile breiter streuen

Einige Projekte in Peru haben Wege gefunden, Konflikte zu minimieren, indem sie einige der Vorteile des Tourismus breiter streuen. Auf den Inseln Taquile und Amantani gibt es eine schon seit langem bestehende Tradition, dass die einzelnen Tourismusanbieter sich bei der Unterbringung von Touristen abwechseln. Dieses System wurde von anderen Projekten übernommen. Auch geben die Familien, die in den Tourismus involviert sind, denen Arbeit, die nicht daran beteiligt sind, wenngleich auf niedrigerem Niveau. Einige Projekte spenden Geld an die Dorfschulen oder suchen nach finanzieller Unterstützung für andere Entwicklungsprojekte, um anderen in der Gemeinschaft zu helfen.

Wenn „Community-based tourism” seinen basisorientierten Prinzipien gerecht werden soll und wenn verhindert werden soll, dass er in Gegenden mit angespannter politischer Lage zu Konflikten führt, müssen die entscheidenden Fragen angegangen werden, wer von diesem Tourismus profitiert und in welchem Umfang. Sind diese Fragen beantwortet, muss geplant werden, wie die Vorteile der Tourismusentwicklung in den gesamten Gemeinschaften gleichmäßiger verteilt werden können.

Jane Carnaffan promoviert in Geographie an der Universität von Newcastle, Großbritannien. Sie führte ihre Feldforschungen zum Thema Community-based tourism und Home-stays 2005 an verschiedenen Orten in Peru durch.

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(9.032 Anschläge, 121 Zeilen, Dezember 2007)