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Partizipatives Management in der brasilianischen Tourismuspolitik

Eine Bewertung des Nationalen Tourismusplans


Dorfgemeinschaften müssen das Recht haben, Entscheidungen und Planungen, die ihren Alltag und Lebensraum betreffen, mitzugestalten. Organisationen und soziale Bewegungen, die sich für einen Tourismus einsetzen, der von der lokalen Bevölkerung selbst gesteuert wird, sind sich einig, dass der Tourismus die einheimische Kultur respektieren und für die Gemeinden selbst Gewinn bringen muss.

Er soll zum Schutz der Natur und der Umwelt beitragen und eine ausgewogene Regionalentwicklung fördern. Die Dorfbewohner sollen die Hauptakteure sein und aktiv eingebunden sein in die politischen Instanzen, die Tourismuspolitik definieren. In Brasilien aber weisen der Nationale Tourismusrat und der Prozess zur Erarbeitung der Nationalen Tourismuspolitik diesbezüglich noch deutliche Schwachstellen auf.

Die Nationale Tourismuspolitik

Die Nationale Tourismuspolitik bestimmt die Gesetze, Dekrete, Pläne, Programme, Aktivitäten, Prioritäten und Diskussionen zum Tourismus in Brasilien. Der Nationale Tourismusplan 2007-2010 wurde jedoch veröffentlicht, bevor im September 2008 das Gesetz Nr. 11.771 beschlossen wurde, das die Nationale Tourismuspolitik regelt. Zwar bestätigt die Nationale Tourismuspolitik nun das Ziel eines dezentralisierten und regionalisierten Tourismus. In dem Gesetz werden die Bundesstaaten, Bundesgebiete und Gemeinden dazu angeregt, durch Einbeziehung der Gemeinschaften in den Tourismusdestinationen und deren effektive Beteiligung am wirtschaftlichen Gewinn den Tourismus auf nachhaltige und sichere Weise zu planen. Im Nationalen Tourismusplan jedoch, der die Umsetzung des Tourismusgesetzes konkretisiert, werden diese Gemeinschaften völlig ignoriert.

Im Juli 2008 lancierte das Tourismusministerium eine Ausschreibung, um den von den Dorfgemeinschaften organisierten Tourismus zu fördern. Mehrere Projekte wurden ausgewählt und finanziell unterstützt. Mit einer anderen wichtigen Ausschreibung werden Firmen unterstützt, die sich für einen solidarischen Tourismus engagieren. Allerdings sind dies nur vereinzelte und isolierte Maßnahmen.

Der Nationale Tourismusplan

In der Mitteilung des brasilianischen Präsidenten zum Nationalen Tourismusplan findet sich folgende Bestätigung: "Der tiefere Sinn des Nationalen Tourismusplans 2007-2010 liegt darin, die soziale Lage der Bevölkerung zu verbessern. Wir müssen zwischen dem brasilianischen Volk und allen Ebenen der Zentralregierung Brücken bauen, sowohl in den Bundesstaaten als auch in den Gemeinden und mit Unterstützung von Privatwirtschaft und Nichtregierungsorganisationen."

Aber diese Brücken sind nicht gebaut worden, denn der Plan erreicht nicht die Basis. Die im Plan vorgesehene Regionalisierung beschränkt sich auf die politisch-administrativen Makroregionen oder die Gebiete, in denen bereits Programme laufen. Beispiele sind die Tourismusentwicklungsprogramme für den Nordosten, für den Süden und für Zentralbrasilien, sowie für die Ökotourismusentwicklung im Amazonas.

Der Nationale Tourismusrat

Der Nationale Tourismusrat besteht aus 63 Mitgliedern, von denen 24 öffentlichen Institutionen angehören und 39 der Privatwirtschaft und der organisierten Zivilgesellschaft. Die Gemeinden, die Tourismus selbst betreiben und sich in Netzwerken wie "Rede Tucum" und "Turisol" (vgl. Beitrag S. 7) organisieren, sind im Nationalen Tourismusrat nicht vertreten. Das Mitglied, das sich diesem Konzept noch am ehesten nähert, ist der "Brasilianische Verein für Ländlichen Tourismus“ (“Associação Brasileira de Turismo Rural“ – ABTR). Für die Definition der Nationalen Tourismuspolitik wurde ein Arbeitsprozess festgelegt, der verschiedene relevante Personen und Institutionen mobilisierte. Es fand jedoch keine Diskussion mit den Gemeinden oder mit Nichtregierungsorganisationen statt, die keine Firmenverbände vertreten.

Empfehlungen

Der Nationale Tourismusplan mit dem Titel "Eine Reise zur sozialen Verbesserung" legt keine Aktivitäten fest, die eine solche Verbesserung tatsächlich anstreben. Damit der selbstbestimmte Tourismus der Dorfgemeinschaften als Aktivität anerkannt wird, die in der Tat Arbeitsplätze und Einkommen schaffen kann, sollte er im Nationalen Tourismusplan den gleichen Stellenwert wie andere Programme erhalten. Gemeinden, die bereits in Netzwerken organisiert sind, sollten an der Entwicklung politischer Handlungskonzepte beteiligt werden, außerdem Nichtregierungsorganisationen, Kunsthandwerksverbände und traditionelle Volksgruppen. Im Nationalen Tourismusrat sollte eine technische Kommission geschaffen werden, die den Tourismus auf Gemeinschaftsebene analysiert und im nächsten Nationalen Tourismusplan ein Programm mitgestaltet, das nicht nur Konzepte, sondern auch Aktivitäten definiert. Ein solches Programm sollte z.B. Kurse für die lokale Bevölkerung in den Bereichen Verwaltung und Vereinsmanagement sowie Schulungen im Tourismus (Gastgewerbe, Kunsthandwerk, usw.) beinhalten. Des Weiteren sollte es helfen, existierende und zukünftige Tourismusprodukte und -destinationen zu entwickeln. Die Beteiligung der Dorfgemeinschaften an der Tourismusverwaltung sollte dadurch sichergestellt und die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, Bundesstaaten und dem Ministerium gefördert werden. Nicht zuletzt brauchen die Dorfgemeinschaften technische Unterstützung sowie Finanzierungssysteme.

Cristina Rodrigues de Melo Orpheo ist Direktorin des Vitae Civilis Institutes in São Lourença da Serra, São Paulo. Sie hat ihre Arbeitsschwerpunkte im tertiären Sektor und sozialen Projekten. Seit fünf Jahren begleitet sie ein gemeindebasiertes Tourismusprojekt in der Region Vale do Ribeira.
Morrow Gaines Campbell III stammt aus den USA, lebt seit 1979 in Brasilien und arbeitet als internationaler Berater im Bereich Qualifizierung und Organisationsentwicklung.

Der Beitrag wurde in ausführlicherer portugiesischer Fassung auf dem Weltsozialforum in Brasilien im Januar 2009 präsentiert.

Übersetzung aus dem Portugiesischen: Esther Neuhaus

Weitere Informationen: www.fboms.org.br. Dort ist auch der Original-Beitrag eingestellt.

( 5.472 Anschläge, 73 Zeilen, März 2009)