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Leitlinien gegen "Land grabbing"

UN-Ausschuss definiert den Rahmen für verantwortungsvolle Landpolitik


Mit freiwilligen Leitlinien wollen die Vereinten Nationen dazu beitragen, dem gravierenden Ausmaß von Landraub Einhalt zu gebieten, der in vielen Entwicklungsländern die Ernährungssicherheit bedroht. Das neue völkerrechtliche Instrument gilt als ein Meilenstein zum Schutz von Landrechten. Im Mai wurden die "Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern" vom UN-Ausschuss für Welternährungssicherung verabschiedet. Die Leitlinien folgen einem außergewöhnlich klaren Menschenrechts- und Beteiligungsansatz.

Die neue Landnahme

Landflächen zur Ernährungssicherung werden immer knapper. Die wachsenden Städte haben einen großen Flächenbedarf. Siedlungsflächen, Verkehrsflächen und Industrieflächen entstehen zu Lasten landwirtschaftlicher Gebiete und Naturräume. Hinzu kommen Bodenverluste durch die Ausbreitung der Wüsten und den Anstieg der Meeresspiegel. Die neue Nachfrage nach Agrarflächen für die Biosprit-Produktion, der zunehmende Fleischkonsum und das Bevölkerungswachstum haben in vielen Ländern gezeigt, dass sich Ernährungssicherheit nicht allein durch Handel realisieren lässt. So kaufen Investoren aus Ländern wie China, Saudi-Arabien oder Südkorea nun profitabel nutzbare Flächen, insbesondere in Afrika.

Ein "Landfresser" ist auch der Tourismus. In Entwicklungsländern entstehen Hotelanlagen oft in ökologisch sensiblen Gebieten, die vorher für die Subsistenzwirtschaft oder Fischerei genutzt wurden. Verdrängt der Tourismus die einheimische Bevölkerung, werden dabei nicht selten die Rechte der Menschen an ihrem Land und an der Nutzung von Waldressourcen oder Fischgründen verletzt. Es kommt zu Zwangsräumungen und zur Vertreibung von Menschen, die keine rechtliche Absicherung ihrer Landrechte nachweisen können.

Leitlinien als völkerrechtliches Instrument

Die Idee der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), der zunehmenden Landnahme mit Leitlinien zu begegnen, geht auf den Welternährungsgipfel 2005 zurück. Die Leitlinien wurden in einem außergewöhnlich partizipativen Prozess verhandelt, in den auch Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft einbezogen waren. Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR), war als Berater an der Ausarbeitung der Leitlinien beteiligt. Auf einer Fachtagung am 6. Juni 2012 in Berlin gab er einen ausführlichen Einblick in den Prozess und in die vielen Stärken und wenigen Schwächen des neuen Instruments.

Die Leitlinien sollen Regierungen und anderen Akteuren, die Land oder Wälder nutzen oder kaufen wollen, Orientierung für die menschenrechtskonforme Ausgestaltung der Nutzungs- und Kaufprozesse bieten. "Die Leitlinien sind ein wichtiges Instrument, um die Rechte besonders armer und an den Rand gedrängter Bevölkerungsgruppen besser als bisher zu schützen", so Windfuhr. Zum Beispiel sei die Regelung im Kapitel über Enteignungen und Entschädigungen sehr sensibel für die Rechte benachteiligter Gruppen. Die Leitlinien fordern eine neue Qualität des staatlichen Landmanagements, z.B. ein vereinheitlichtes Erfassungssystem, das fälschungs- und betrugssicher ist. Dem schwierigen Thema redistributiver Landreform ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

Die Chancen und Grenzen der Freiwilligkeit

Freiwillige Instrumente geraten leicht in die Kritik, da es ihnen an Verbindlichkeit mangelt. Doch in diesem Fall hätte es nach Einschätzung von Michael Windfuhr 15-20 Jahre gedauert, eine bindende Konvention auszuhandeln. Die wäre dann womöglich gerade von Staaten, in denen Landrechte am leichtesten verletzt werden, nicht oder nicht schnell genug ratifiziert worden. Die freiwilligen Leitlinien dagegen seien eine schnelle Reaktion auf ein aktuelles Problem. Auch dank der Legitimität des Verfahrens seien sie auf alle Staaten anwendbar. Die Staatenpflichten leiten sich aus anderen bindenden völkerrechtlichen Verträgen ab.

Herausforderungen der Umsetzung

Nachdem die Leitlinien nun verabschiedet sind, besteht die Herausforderung in der raschen und gründlichen Umsetzung. Die müsse von der Zivilgesellschaft eingefordert werden, so Windfuhr. Eine Rechtsdurchsetzung erfolgt nur bei der Umsetzung in nationales Recht, z. B. in der Flächennutzungsplanung, aber auch extraterritorial hier z.B. in der Entwicklungszusammenarbeit und Außenwirtschaftsförderung, die sich entsprechend der Leitlinien an Bedingungen knüpfen ließe. Ob und wie die Umsetzung der Leitlinien überprüft werden kann, ist bislang offen. Denn ein Mechanismus zum Monitoring ist in den Leitlinien nicht enthalten.

Chandrika Sharma vom International Planning Committee for Food Sovereignty betonte, wie wichtig es ist, lokale Gemeinschaften vor Landspekulation zu schützen. Die legitimen Rechte der Bevölkerung sind dabei nicht immer festgeschrieben. Die Leitlinien beziehen sich jedoch auf alle Formen von Landrechten, auch auf die traditionellen Rechte von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften, die zum Beispiel Fischgründe kollektiv nutzen.

Um die Leitlinien umzusetzen, brauche es konzertierte Anstrengungen auf verschiedenen Ebenen, so Sharma. Der partizipative Charakter des Verhandlungsprozesses müsse sich auch in der Umsetzung widerspiegeln. Es seien Bildungsmaterialien und Workshops nötig, um zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich mit Landrechtsfragen auseinandersetzen, mit den neuen Leitlinien vertraut zu machen – insbesondere in den Ländern des Südens.

Weitere Informationen: Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure of Land, Fisheries and Forests in the Context of National Food Security. www.fao.org/fileadmin/user_upload/nr/land_tenure/pdf/VG_en_Final_March_2012.pdf

Ein wichtiges Instrument – Die Freiwilligen Leitlinien zur verantwortungsvollen Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern. Von Michael Windfuhr, Deutsches Institut für Menschenrechte, Berlin, 11. Mai, 2012. www.institut-fuer-menschenrechte.de

(5.463 Zeichen, 74 Zeilen, Juni 2012)