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Globales Engagement zum Schutz von Kindern

Die Deutsche Reiseindustrie fehlte in Rio de Janeiro


Sexuelle Ausbeutung von Kindern ist überwindbar. Das war die Botschaft der über 3000 Teilnehmenden aus 170 Ländern auf dem weltweit bislang größten Kongress gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen. 137 Regierungen diskutierten Ende November in Rio de Janeiro mit Kindern und Jugendlichen, Nichtregierungsorganisationen, internationalen Organisationen und dem privaten Sektor.

Während dabei deutlich wurde, dass der Schutz der Kinder vor sexueller Gewalt noch ein äußerst langer und schwieriger Prozess sein wird, äußerten sich die Organisatoren recht zuversichtlich, dass das Abschlussdokument, der Pakt von Rio, einen weiteren wichtigen Schritt in diesem Kampf darstellt. Um den Pakt von Rio, dessen Aktionsplan noch bis Ende des Jahres für weitere Ergänzungen und Rückmeldungen von Seiten der registrierten Teilnehmenden offen ist, wurde nächtelang gerungen. Ein Teil der Regierungen wollte eine möglichst allgemeine Erklärung, während einige EU-Staaten, darunter auch die Bundesregierung, einen Aktionsplan mit konkreten Aktivitäten und klaren Zeitvorgaben forderten. Mit dem Dokument, dessen Entwurf bis 31.12.2008 erstellt werden soll, hofft Jaap E. Doek, Rapporteur des Weltkongresses und ehemaliger Vorsitzender der UN-Kinderrechtskommission, auf eine größere Akzeptanz für konkrete Maßnahmen.

Die Beteiligung des privaten Sektors, die von der brasilianischen Regierung als Veranstalter des Kongresses ausdrücklich gefördert wurde, ließ jedoch zu wünschen übrig. Während die Internetwirtschaft mit “Google“, “Microsoft“, verschiedenen Internetprovidern, Internetverbänden und Organisationen wie “Inhope“ breit vertreten war, fanden nur wenig Reiseunternehmen den Weg nach Rio. Auch der Deutsche Reiseverband DRV hat die Einladung der brasilianischen Regierung ausgeschlagen. Wäre die Welttourismusorganisation (UNWTO) nicht mit mehreren Vertreterinnen und Vertretern beim Dialog der Tourismuswirtschaft präsent gewesen, wäre das zentral angesetzte Kongressforum für Führungskräfte der Tourismusbranche recht dürftig ausgefallen. Dabei gab es eine Reihe von Workshops, die Fragen nach der Umsetzung des Verhaltenskodex zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung im Tourismus aufwarfen. Denn zum einen gilt der Verhaltenskodex als ein erfolgreiches Modell der Privatwirtschaft für einen effektiven Kinderschutz, zum anderen erhält die Diskussion zum Berichtswesen und Monitoring immer mehr Aufmerksamkeit.

Unternehmen in der Pflicht Beim dritten Weltkongress in Rio ging es zum ersten Mal in einer der fünf übergeordneten Podiumsdiskussionen um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility – CSR) und den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung. Einhellig wurde gefordert, dass globale Instrumente wie der Globale Pakt der Vereinten Nationen (Global Compact), die OECD-Richtlinien und regionale CSR-Initiativen in ihre Richtlinien Kinderschutz vor sexueller Ausbeutung aufnehmen müssen, um in Zukunft glaubwürdig zu sein. Der Vertreter von “Petrobas“, einer der weltgrößten Ölfirmen, wies darauf hin, dass sie den Global Compact unterzeichnet hätten und sich dabei vor allem für den Kinderschutz einsetzen würden.

Die bisherigen Richtlinien der CSR-Instrumente müssen überarbeitet werden, so die schwedische Königin Silvia in ihrer Rede zu CSR auf dem Kongress. Sie sieht vor allem die Unternehmen in der Pflicht: “Die Führungskräfte der Wirtschaft müssen dabei eine aktive Rolle spielen. Die Zivilgesellschaft wird es auf Dauer nicht hinnehmen, dass sie sich indifferent gegenüber sozialen Problemen verhalten.“ Bisher wird jedoch in keiner der weltweiten CSR-Initiativen explizit der Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung aufgeführt.

Die gesamte Wirtschaft und nicht nur die Reisebranche, Transportunternehmen oder Internetprovider, laufe Gefahr, dass sich auf ihren PCs Bilder finden, die Kindesmisshandlungen zeigen oder die Würde von Kindern verletzen. In einem der CSR-Workshops zeigten die Referentinnen und Referenten deshalb klar auf, dass die Unter¬nehmen auch diesbezüglich klare Handlungskonzepte zum Schutz von Kindern erstellen müssen. Dieser Herausforderung wollen sich die Unterzeichner des Pakts von Rio als eine der nächsten wichtigen Aufgaben stellen. Aus den Erfahrungen der Organisationen, die sich gegen Kinderarbeit einsetzen, soll gelernt werden, um den Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und entsprechende Handlungskonzepte in den CSR-Instrumenten zu verankern.

Aufruf zum Handeln Der Vizepräsident der UNWTO, Taleb Rufai, betonte, dass die Welttourismusorganisation seit dem ersten Weltkongress in Stockholm ihr Engagement zum Schutz der Kinder stetig verstärkt habe. Er kündigte die neue UNWTO-Kampagne “Null Toleranz gegenüber sexueller Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen im Tourismussektor“ an.

Der Weltkongress bot eine fast unübersehbare Vielfalt an Workshops und Foren an, mit unterschiedlicher Qualität. Nicht leicht wurde den Teilnehmenden die Auswahl gemacht, da das ausführliche Programm erst am zweiten Kongresstag gedruckt vorlag. Außerdem standen fast alle der umfangreichen Hintergrund- und Diskussionspapiere erst während des Weltkongress zum Herunterladen auf der Kongresshomepage zur Verfügung. Somit hatte nur ein exklusiver Kreis Zugang zu den wichtigen Dokumenten. Nicht die Zukunft gehöre den Kindern, sondern die Gegenwart, so das Statement der Jugendvertreterinnen und -vertreter in Rio. Deshalb forderten sie vom Weltkongress, eine ernst gemeinte Beteiligung ein. Die Kinder und Jugendlichen wollen aktiv an Lösungen mitwirken (vgl. "Kinder sind keine Ware", S. 6 ff.).

Für die brasilianische Regierung hatte der Weltkongress auch eine große innenpolitische Bedeutung. Deshalb waren auch mehr als ein Viertel der Plätze für Brasilianer reserviert. Der brasilianische Präsident Luiz Lula da Silva hatte den Weltkongress mit den Worten eröffnet: “Wir müssen mit der Heuchelei aufhören und gegen die sexuelle Ausbeutung der Kinder kämpfen.“ Er betonte, dass die Aufklärung in Schulen als Teil des Curriculums notwendig sei. Weitere Sensibilisierungs- und Schutzmaßnahmen haben verschiedene brasilianische Minister während des Kongresses verkündet.

Amihan Abueva, bisherige Präsidentin der Kinderschutzorganisation ECPAT International, forderte die Teilnehmenden auf, gerade in Zeiten einer globalen Finanz¬krise den Schutz der Kinder aus Geldgründen nicht hintanzustellen, sondern jetzt gemeinsam Maßnahmen auf den Weg zu bringen: “Wir können und müssen jetzt handeln!“ Doch noch wissen wir nicht, ob der endgültige Aktionsplan des Paktes von Rio dann auch wirklich zum “Handeln jetzt!“ auffordert.

Mechtild Maurer ist Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung e.V. (ECPAT Deutschland).

Weitere Informationen: www.ecpat.de, www.ecpat.net/WorldCongressIII/index.php, www.iiicongressomundial.net (Hier gibt es unter “World Congress Documents“ zahlreiche Hintergrunddokumente sowie den Entwurf des Abschlussdokuments).

Hintergrundpapier zum Tourismus: Sexual Exploitation of Children and Adolescents in Tourism. Muireann O’Briain, Milena Grillo und Helia Barbosa. Ein Beitrag von ECPAT International zum “World Congress III against Sexual Exploitation of Children and Adolescents”, Rio de Janeiro, Brasilien, 25. – 28. November 2008. Download: www.iiicongressomundial.net/congresso/arquivos/thematic_paper_cst_eng.pdf

(6.751 Anschläge, 91 Zeilen, Dezember 2008)