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"Bombies" im Reisfeld

Explosive Blindgänger behindern Entwicklung in Laos


Es war ein Montag, Anfang Januar 2012, im Dorf Tamluang, in der laotischen Provinz Savannakhet. Ein paar Kinder machten im Hof ein Lagerfeuer, um sich am kühlen Abend daran zu wärmen. Was die Familie nicht wusste: Im Boden unter dem Feuer lag eine Bombe. Die Hitze durch das Feuer brachte sie zur Detonation. Drei Jungen – Sack (12), Chith (10) und Touk (10) – starben sofort, die 3jährige Ser erlag auf dem Weg ins Krankenhaus ihren schweren Verletzungen. Zwei weitere Kinder und eine Frau erlitten schwere Verbrennungen an den Beinen.

Im COPE Visitor Centre, einem Informationszentrum in der Hauptstadt Vientiane, wird ihre Geschichte erzählt – und viele weitere Geschichten von Menschen, die durch Blindgänger in Laos ihr Leben verloren oder heute mit schweren Behinderungen leben müssen. COPE (Cooperative Orthotic and Prosthetic Enterprise) leistet nicht nur Bildungsarbeit, sondern stellt vor allem auch Prothesen her und hilft den Betroffenen, ein möglichst normales Leben zu führen.

Das schwere Erbe des "geheimen Krieges"

Pro Kopf der Bevölkerung ist die Demokratische Volksrepublik Laos (Lao PDR), so der offizielle Name, das am stärksten bombardierte Land der Welt. In einem "geheimen Krieg" gegen Laos warfen die USA zwischen 1964 und 1973 mehr als 270 Millionen "Bombies" über dem Land ab. Von den Luftangriffen besonders betroffen waren die südöstlichen Landesteile entlang der Grenze zu Vietnam sowie die Provinz Xieng Khouang im Nordosten von Laos, die damals ein Zentrum des kommunistischen Widerstands war.

Die "Bombies" – etwa tennisballgroße Bomblets – wurden durch Streubomben (auch Clusterbomben genannt) freigesetzt und über weite Flächen verteilt. Rund 30 Prozent sind beim Aufschlag nicht explodiert und liegen bis heute versteckt in der Erde: in den Wäldern, in den Reisfeldern oder direkt in den Dörfern, nahe der Häuser. Die Anzahl der noch immer nicht entschärften Blindgänger im Land wird auf mindestens 78 Millionen geschätzt.

Der Begriff "Bombies" ist eine gefährliche Verniedlichung. Die Blindgänger sind heimtückisch und noch heute, 40 Jahre später, kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen oder schweren Verletzungen, wenn spielende Kinder oder Bauern bei der Feldarbeit mit den explosiven Kugeln in Berührung kommen. Die Auswirkungen sind weitreichend, denn die Blindgänger behindern die Entwicklung in einem der ärmsten Länder der Welt. Große Landesteile können nur unter Lebensgefahr bewirtschaftet werden. Darunter leidet die Landwirtschaft, aber auch der Tourismus und andere Formen der Landnutzung.

Laos hat ein enormes Potenzial für Tourismus in freier Natur: eine faszinierend schöne Landschaft, Höhlen, Dschungel, Wasserfälle. So lange aber viele Gebiete nicht geräumt sind, sind sie weder für Einheimische noch für Touristen sicher. In der berühmten so genannten "Ebene der Tonkrüge" ("Plain of Jars", "Thong Hay Hin") ist ausgewiesen, wo die Gegend von Streubomben geräumt und somit begehbar ist. Mehrere hundert Steinkrüge, geschätzte 1.500 bis 2.000 Jahre alt, machen dieses Gebiet zu einem Kandidaten für die UNESCO-Weltkulturerbeliste.

Einige Kilometer entfernt fördert die Schweizer Entwicklungsorganisation Helvetas den Ökotourismus. Auf Bitte von Helvetas wurde ein fünf Kilometer langer Trekking-Pfad durch das UXO Lao-Programm geräumt. Der Pfad verbindet zwei Dörfer. Er ist gerade einmal 1,5 Meter breit und nur mit einem einheimischen Führer zu begehen.

Souvenirs aus Altmetall

Die Überbleibsel des Krieges lassen sich hin und wieder als Touristenattraktion vermarkten. So mancher findige Unternehmer "verziert" sein Hotel mit Bombenhülsen. Aus Kriegsschrott werden zahlreiche Gegenstände des täglichen Bedarfs hergestellt. Eigentlich ist es in Laos illegal, Altmetall aus Kriegsschrott zu sammeln. Dennoch suchen ganze Dorfgemeinschaften einschließlich der Kinder Wälder und Felder nach Bombenüberresten ab. Sie verwenden Schaufeln und aus Vietnam eingeführte primitive Metallsuchgeräte, die auf dem lokalen Markt schon für weniger als 100.000 Kip (ca. zehn Euro) zu haben sind. Die Metallhändler zahlen den Findern zwischen 10.000 und 20.000 Kip (ca. ein bis zwei Euro) für ein Kilo Altmetall. Das ist ein recht guter Preis für die arme Landbevölkerung, so dass viele das Risiko eingehen.

Nicht nur das Metall der Blindgänger, auch Flugzeugteile, die Aluminium enthalten, werden gesammelt. In Ban Naphia in der Provinz Xieng Khouang werden aus solchem Aluminium Löffel hergestellt und auf dem Markt verkauft. Im Rahmen des Projektes RISE (ein Kooperationsprojekt von Helvetas, Sunlabob und der laotischen Regierung) wurden als Einkommen schaffende Maßnahme zusätzlich neue Produkte eingeführt. Auf Initiative einer Amerikanerin werden nun auch Armreifen produziert und an Touristen verkauft.

COPE als Organisation, die vor allem mit den Opfern der Streubomben arbeitet, hält nicht viel von diesem Ansatz. "Wir haben das diskutiert und es abgelehnt, hier solche Souvenirs zu verkaufen", sagt Soksai Sengvongkham vom COPE Visitor Centre. Es gäbe keine Garantie dafür, dass die Menschen sich beim Sammeln des Metalls nicht in Gefahr bringen. "Bitte bringen Sie Menschen nicht in Gefahr, indem Sie solche Gegenstände kaufen oder sehen wollen, wenn sie Ihnen angeboten werden. Das fördert das Sammeln potenziell tödlicher Gegenstände." heißt es auf einer Informationstafel im COPE Visitor Centre. "Wir haben Trainingsprogramme durchgeführt, aber wir können nicht jede und jeden erreichen", räumt auch ein Mitarbeiter von Helvetas ein.

Aufklärung über die Gefahren

Nur mit sehr viel Erfahrung lässt sich erkennen, ob eine Bombe noch gefährlich ist oder nicht. Eine Grundregel lautet: Wenn die Bombies noch in gutem Zustand sind, sind sie gefährlich, wenn sie zerstört sind, eher nicht mehr. Kinder können die Gefahr meist kaum abschätzen. Bildungsarbeit tut dringend Not. Die Menschen, auch Kinder, müssen genau wissen, womit sie es zu tun haben. Dazu braucht es geeignete Materialien sowie die Arbeit mit Multiplikatoren, wie z.B. Lehrkräften oder buddhistischen Mönchen. Doch das Wissen um die Gefahr allein reicht nicht aus.

Einige Organisationen haben erkannt, dass der wirtschaftlichen Not der Bevölkerung und dem Druck, den Lebensunterhalt zu sichern, ebenso Rechnung getragen werden muss, um Verhaltensänderungen zu bewirken. Räumteams bitten die Bevölkerung, Bombenfunde zu melden, damit die Sprengkörper von Experten sicher entschärft werden können. Die Finder bekommen dann das Altmetall, um es verkaufen zu können.